Ex-Präsident Indonesiens ist gestorben: Suharto kommt mit dem Tod davon
Indonesiens früherer langjähriger Diktator Suharto stirbt, ohne dass er sich je für Menschenrechtsverbrechen und Korruption verantworten musste.
JAKARTA taz Knapp zehn Jahre nach seinem Sturz ist Indonesiens Exdiktator Suharto am Sonntag in Jakarta 86-jährig gestorben. Der Exgeneral, der das südostasiatische Land 32 Jahre meist milde lächelnd mit eiserner Hand regiert hatte, starb an multiplem Organversagen. Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono rief eine einwöchige Staatstrauer aus und würdigte Suharto "als besten Sohn des Landes".
Suharto war am 4. Januar ins Krankenhaus eingeliefert worden. Seitdem hatten Yudhoyono, viele Minister und ehemalige autoritäre Regierungschefs aus der Region an sein Krankenbett Schlange gestanden. Sie plädierten für Milde im Umgang mit dem Expotentaten, dem sie ihren eigenen Aufstieg verdankten oder mit dem sie eng kooperiert hatten.
Seit seinem Sturz 1998 während der asiatischen Finanzkrise lebte Suharto unbehelligt in Jakarta. Mit dem Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit konnten seine Anwälte alle meist halbherzigen Versuche zunichte machen, ihn juristisch für Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Völkermord und für massivste Korruption zu belangen.
Seine Anhänger nannten ihn "Pak pembangunan", Vater der Entwicklung. Washington sah in ihm das zuverlässigste Bollwerk gegen kommunistischen Expansionismus in Südostasien. Die Blockfreien akzeptierten ihn als Führer auf ihrem sogenannten dritten Weg. Deutschlands Kanzler Helmut Kohl bezeichnete ihn als "Freund", lieferte seinem Regime Waffen und ging mit ihm angeln. Politiker und Wirtschaftstycoone aus aller Welt hofierten ihn. Er regierte als unbestrittener Herrscher über das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt.
Indonesiens zweitem Präsidenten war kein Mittel zu schäbig, zu seinem Ziel zu gelangen. Hunderttausende ließ er ermorden. Hunderttausende starben in Straf- und Arbeitslagern ohne jede formale Anklage. Schamlos schürte er ethnische und religiöse Differenzen in seinem Vielvölkerstaat. Wenn es seiner Macht diente, unterdrückte er muslimische Ambitionen auf einen islamischen Staat und förderte Angehörige anderer Religionen nur, um gegebenenfalls opportunistisch die Fronten zu wechseln, fromm Moscheen zu besuchen und seiner chinesischen, meist christlichen Minderheit alle Rechte vorzuenthalten. Er verbot Parteien und zensierte Medien und Literatur.
Mit seinen sechs Kindern sowie Geschwistern, Generälen und Günstlingen und der bis heute mächtigen Staatspartei Golkar hatte er das Land und seine Ressourcen unter Kontrolle. Seine viel gerühmte "neue Ordnung" genannte Wirtschaftspolitik, die jahrelang Wachstumsraten von 6 bis 8 Prozent brachte, war aufgebaut auf die Ausplünderung der natürlichen Ressourcen sowie auf Nepotismus, Korruption und Willkür.
Diese erreichten selbst für asiatische Verhältnisse unvorstellbare Ausmaße. Keine Großinvestition, bei der nicht zwischen 10 und 30 Prozent der Investitionssumme in den Händen seiner Familie endeten. Transparency International schätzt das von ihm und seiner Familie angehäufte Vermögen auf 15 bis 35 Milliarden US-Dollar.
Am 8. Juni 1921 in Kemusu Argamulja in Zentraljava als Sohn einer armen Bauernfamilie geboren, arbeitete Suharto nach dem Grundschulabschluss zunächst als Bankangestellter, ehe er in die holländische Kolonialarmee eintrat. Wie viele Asiaten wechselte auch er nach der japanischen Besetzung Holländisch Ostindiens 1942 in ein von den Japanern organisiertes Verteidigungskorps, wo er zum Offizier ausgebildet wurde. Nach Japans Kapitulation schloss er sich der Guerilla an, die vier Jahre lang gegen die zurückgekehrten Holländer für die Unabhängigkeit Indonesiens kämpfte, zuletzt war er vom Rang Oberstleutnant.
Die Ereignisse im Herbst 1965 katapultierten den inzwischen zum Generalmajor avancierten Offizier aus der Obskurität eines Militärkommandos an die Spitze des Staates. Ein angeblich kommunistischer Umsturzversuch am 30. September beendete die fragile Allianz zwischen Staatsgründer Sukarno, der Armee sowie der PKI, der größten kommunistischen Partei außerhalb des kommunistischen Blocks. Als Kommandeur der "strategischen Reserve" schlug Suharto den Putsch nieder. Die Hintergründe des angeblichen Staatsstreichs sind bis heute unklar. In den folgenden Monaten zerschlug Suharto mit Hilfe der Armee und islamischen Organisationen in blutigen Massakern, in der bis zu eine Million Menschen das Leben verloren, die kommunistische Partei und alle ihr angeschlossenen Organisation.
Eineinhalb Jahre später wurde er auch formal Präsident, nachdem er seinen Vorgänger Sukarno schon längst entmachtet hatte. Von einem Scheinparlament ließ sich Suharto dann alle fünf Jahre im Amt bestätigen. Doch weder die blutige Integration zunächst Westpapuas und später Osttimors noch andere Verbrechen etwa in Aceh oder auch in Java selbst taten seiner Macht im Inland und seiner Popularität im Ausland Abbruch.
In den 90er-Jahren wuchs zaghaft Kritik an seiner quasi monarchischen Regierungsweise. Der wuchernde Nepotismus führte zu großem Unbehagen und dem immer offener geäußerten Wunsch nach Wandel. Doch erst die Asienkrise 1997/98, die Indonesien an den Rand des Bankrotts brachte, leitete Suhartos Abgang ein. Studentendemonstrationen und blutige Unruhen erzwangen schließlich am 19. Mai 1998 seinen Rücktritt. Zwar wurde Indonesiens politisches System seitdem schrittweise demokratisiert, doch seine Nachfolger hielten schützend die Hand über die Familie Suharto.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken