Ex-Mitarbeiter von Nawalny verurteilt: Haft wegen Rammstein-Video
Russlands Behörden gehen weiter gegen Weggefährten von Nawalny vor. Nun traf es Andrei Borowikow, der ein Video der deutschen Band verlinkt hatte.
Am Nachmittag trug der Föderale Dienst für Finanzmonitoring, Russlands, „Rosfinmonitoring“, alle „Nawalny-Stäbe“ in die Liste von Personen und Organisationen ein, denen Terrorismus und Extremismus zur Last gelegt wird. Damit legte die Behörde alle offiziellen Finanzaktionen des Netzwerks des Kreml-Kritikers Alexei Nawalny lahm.
Bereits am Vortag war dessen politischer Weggefährte Andrei Borowikow, der lange Zeit Nawalnys Stab in der Hafenstadt Archangelsk am Weißen Meer geleitet hatte, wegen „Verbreitung von Pornographie“ zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Der Grund: Borowikow hatte 2014 auf seinem Account im sozialen Netzwerk „VKontakte“ einen Link auf den Youtube-Clip „Pussy“ der deutschen Band Rammstein gesetzt. Und dieser sei, so ein von der Staatsanwaltschaft vorgelegtes Gutachten, pornographisch.
Rammstein-Gitarrist erklärt sich solidarisch
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils erklärte sich der Leadgitarrist von Rammstein, Richard Kruspe, auf Instagram mit Borowikow solidarisch. „Ich bin geschockt von der Härte dieses Urteils,“ so der Künstler. Rammstein habe sich immer für die Freiheit der Kunst als fundamentales Recht für alle Menschen eingesetzt.
Auch Witalij Serwetnik, Co-Vorsitzender der „Russischen Sozial-Ökologischen Union“, verurteilte gegenüber der taz die Haft seines Mitstreiters Borowik. Dieser sei auch Ökoaktivst, habe als einer der ersten gegen die geplante gigantische Mülldeponie im unweit von Archangelsk gelegenen Schies gekämpft.
Amnesty International nennt die Verurteilung von Borowikow wegen des Rammstein-Videos „absurd“. Borowikow sei für seine politischen Aktivitäten und nicht seinen musikalischen Geschmack bestraft worden, zitierte der US-Sender Radio Liberty Natalia Zwiagina vom Londoner Büro von Amnesty International.
Behörden wollen Anwalt ausschalten
Unterdessen berichten russische Medien von der Festnahme eines der renommiertesten russischen Anwälte. Freitagmorgen wurde Iwan Pawlow in einem Moskauer Hotel festgenommen. Er vertritt die Antikorruptionsstiftung von Alexei Nawalny vor Gericht.
Ihm wird vorgeworfen, Informationen aus Prozessakten im Verfahren gegen den Journalisten Iwan Safronow an die Presse weitergegeben zu haben. Außerdem sei nicht rechtmäßig gewesen, so der Vorwurf der Behörden, dass er öffentlich berichtet habe, dass in dem Verfahren noch ein anonymer Zeuge um eine Aussage gebeten worden sei.
Seit 20 Jahren hat sich Pawlow auf Verfahren zu Extremismus, Staatsverrat und Aktivitäten der Sicherheitsbehörden, welche die Freiheit der Bürger beeinträchtigen, spezialisiert. Das Vorgehen gegen Pawlow, so dessen Kollege Sergei Badamschin gegenüber dem russischen Dienst von BBC, sei ein Versuch der Behörden, dem Anwalt „den Mund zu verbieten“.
Sollte Pawlow schuldig gesprochen werden, wird ihm automatisch auch die Lizenz als Anwalt entzogen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom