Ex-DFB-Spielerin Sharon Beck: Zum Fußball nach Israel
Sharon Beck gehörte 2018 noch zum DFB-Kader. Doch die Fußballerin entschied sich, lieber für Israel zu spielen. Warum?
Kalt war es an diesem Februartag 2018. Aber Sharon Beck wurde dennoch plötzlich ganz heiß ums Herz. Die Fußballerin konnte ihr Glück kaum fassen. Jürgen Ehrmann, ihr Trainer beim Bundesligisten TSG Hoffenheim, hatte ihr soeben mitgeteilt, dass sie in den Kader von Bundestrainerin Steffi Jones berufen worden war.
Zum ersten Mal war sie dabei, bei der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Im März 2018 reiste die zentrale Mittelfeldspielerin mit dem DFB-Team zum SheBelieves-Cup in die USA. Zum Einsatz kam die damals 23-Jährige bei dem Turnier allerdings nicht. Deutschland wurde ohne Beck Vierter.
Im Nachhinein war das vielleicht ihr Glück. Denn in den zwei Wochen im Kreis der besten deutschen Fußballfrauen wurde Sharon Beck klar: Das Leben im Rampenlicht und der enorme Erfolgsdruck, der im deutschen Nationalteam herrscht, ist nichts für sie. „Mein Herz hat mir gesagt, das ist nicht das Richtige für mich“, erinnert sie sich heute. Eine andere Option begann sie zu reizen: Als Tochter eines Israeli und einer Deutschen besitzt Sharon Beck beide Staatsbürgerschaften.
Nach Gesprächen mit dem israelischen Fußballverband traf sie rasch ihre Entscheidung: Sie würde für Israel spielen, ihre zweite Heimat. Das Umfeld dort empfand sie als ruhiger, stress- und druckfreier. Sie freute sich auf ihre neue Rolle. Beck: „Dort kann ich mich mit mehr Spaß als Führungsspielerin beweisen.“ Im Juni 2018, kurz bevor sie in der Bundesliga von der TSG Hoffenheim zum SC Freiburg wechselte, lief sie erstmals im blauen Trikot Israels auf.
Chanukka und Weihnacht
Israel ist Sharon Becks zweites Heimatland, auch wenn sie in einem kleinen Ort am Niederrhein geboren wurde. Als Kind verbrachte sie mit ihrer Familie jeden Sommer in Israel. Viele Verwandte leben dort. Schon als Mädchen war sie fasziniert vom Judentum und dessen Tradition.
Sharon Becks Vater ist frommer Jude. „Meine Eltern leben getrennt“, erzählt die 24-Jährige. „Dadurch haben wir immer bei meiner Mutter das christliche Weihnachten gefeiert und bei meinem Vater Chanukka, das achttägige jüdische Lichterfest. Bei der Familie meines Vaters essen wir kein Schweinefleisch und halten den Sabbat, den wöchentlichen Ruhetag.“
Für Beck ist es allerdings schwer, alle religiösen Regeln einzuhalten. „Ich faste nicht. Das geht wegen des Leistungssports einfach nicht“, sagt sie etwa. Allerdings achtet sie darauf, Fleischiges und Milchiges nicht zu mischen. Dies ist nur eine der vielen jüdischen Speisevorschriften fürs koschere Essen, die sie einzuhalten versucht. In die Synagoge geht Beck selten. Die Gebete praktiziert sie mit der Familie ihres Vaters meist im privaten Bereich. Dabei tragen die Männer Kippa. „Mein Vater ist Jude durch und durch“, sagt Sharon Beck.
Auch die junge Frau selbst ist überzeugte Jüdin. Sharon Beck bekennt sich zu ihrem Glauben, auch wenn ihr Vater „immer sehr vorsichtig damit war, es öffentlich zu machen, dass wir jüdischen Glaubens sind“. Er warnte seine Tochter davor, zu offen über ihr Judentum zu sprechen. „Er hat mir geraten, es nicht zu erwähnen. Aber ich stehe dazu, dass ich jüdisch bin.“ Stolz fügt sie hinzu: „Für mich ist der jüdische Glaube ein besonderer.“
Angst vor antisemitischen Reaktionen oder Übergriffen hat sie nicht. Sie habe persönlich noch keine schlimme Situation erlebt, erzählt die Fußballerin. „Natürlich nehme ich Leute wahr, die keine Hintergründe kennen, aber trotzdem die AfD wählen und sagen ‚Die und die Leute müssen hier raus.‘“ Ihr sei das aber egal. „Das ist halt so. Ich bin hier groß geworden und habe einen deutschen Pass.“
Die WM-Spiele der DFB-Frauen hat sie aus dem Urlaub heraus mit einer gewissen inneren Distanz verfolgt – „natürlich hatte ich den Daumen gedrückt“. Dennoch spürt man, dass ihr das Ausscheiden des DFB-Teams nicht so sehr zu Herzen geht.
Sharon Beck hat sich im vergangenen Jahr bewusst für Israel entschieden, die Nummer 63 der Weltrangliste im Frauenfußball. In der WM-Qualifikation hatte die israelische Mannschaft keine Chance, verlor in ihrer Gruppe sieben von acht Spielen. Unruhe und Stress gab es angesichts dieser bescheidenen Bilanz nicht. Genau deshalb fühlt sich Sharon Beck im Israel-Trikot so wohl.
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