Eventisierung in Hamburg-Altona: Erlebnisort statt Platte
Am Nobistor ist im Sommer ein umfangreiches Live-Programm geplant. Wegen der Nutzung durch Obdachlose und befürchteter Eventisierung kommt Kritik
Der Veranstaltungsort befindet sich direkt an der Grenze zu St. Pauli und dem Bezirk Hamburg-Mitte. Gegen dessen Eventisierung setzt sich Falko Droßmann (SPD), Leiter des Bezirksamtes Mitte, seit Langem ein. Ein „neuer Erlebnisort“ dürfte da nicht passen. Steffen Jörg, zuständig für Stadtpolitik bei der Gemeinwesenarbeit (GWA) St. Pauli, teilt diese Befürchtung. Obwohl der Park in Altona liege, gehöre er zum Eventdistrikt St. Pauli. Und was Events angehe, sei die Grenze „mehr als erreicht“, sagte Jörg.
Der Park diente bis zum letzten Jahr vielen Obdachlosen als Übernachtungs- und Aufenthaltsort. Bettina Reuter, vorsitzende Sozialarbeiterin der Beratungsstelle für Obdachlose in Altona, erklärte: „Seit der Räumung im Juni 2015 gibt es dort keine festen Platten mehr.“ Wegen fortlaufender Patrouillen durch Mitarbeiter des Bezirksamtes Altona im Bereich des Parks hielten sich Obdachlose dort nur noch vereinzelt und vorübergehend auf.
Jörg warnt jedoch davor, dies als Argument für die Eignung des Parks als Veranstaltungsort zu nutzen. „Das wäre zynisch.“ Er habe „nichts gegen Feste in der Öffentlichkeit“, bezüglich des „Sommers in Altona“ sei er aber „sehr skeptisch“, sagte er. Der Park sei „seit Jahrzehnten ein umkämpfter Ort“ und die Stadt dürfe „nicht jede Fläche überplanen“. Stattdessen müsse sie „viel mehr Platz bieten, den sich Leute aneignen und so nutzen können, wie sie wollen“.
Veranstalter Hallerberg betonte, die Veranstalter hätten „nicht die Absicht, Probleme zu verursachen“ und würden mit den Obdachlosen in Verbindung treten, um Konflikten vorzubeugen und die Kritik aufzunehmen. Allerdings sei es gar nicht so einfach, eine Grünfläche zu bekommen, so Hallenberg. Favorit sei ursprünglich eine andere Grünfläche gewesen, die Stadt habe jedoch die Erlaubnis zu deren Nutzung verweigert.
Stattdessen machte die Kulturbehörde Alternativvorschläge – geeignet war für den Veranstalter davon nur der Park am Nobistor. Die anderen Flächen seien zu weit außerhalb oder zu klein, erklärte Hallerberg. „Da hätte sich das Format nicht gelohnt.“ Die Anwesenheit der Obdachlosen hatte offenbar keinen Einfluss auf die Vorschläge der Kulturbehörde – für Obdachlose sei die Sozialbehörde zuständig, hieß es von dort.
Er habe den Eindruck, die Stadt bemühe sich darum, dass am Nobistor „etwas passiert bezüglich der Kultur“, sagte Hallerberg. Unter anderem wegen der geringen Zahl Obdachloser auf dem Gelände mache sich der Veranstalter keine Sorgen, dass es während des „Sommers in Altona“ zu Problemen kommen könnte. Deswegen gebe es auch keine Pläne, das Gelände einzuzäunen. Lediglich zur Bewachung des Equipments sollten Sicherheitsleute eingesetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht