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Evakuierungen aus Ost-AleppoRegierung will in letzte Enklave

Syriens Armee ruft die noch verbliebenen Einwohner Ost- Aleppos auf, die Stadt zu verlassen. Die Rebellen wollen erst gehen, wenn alle Zivilisten in Sicherheit sind.

Am Montag in Aleppo: 15.000 Menschen sind nach Angaben vom Roten Kreuz an diesem Tag evakuiert worden Foto: ap

Beirut/Damaskus afp/rtr | Die syrische Armee hat den Einmarsch in die letzte Rebellen-Enklave in Aleppo angekündigt. Über einen Rundfunksender der mit ihr verbündeten Hisbollah-Miliz erklärte die Armee, sie werde am Dienstag in das Gebiet einrücken. Die Rebellen sollten ihren Abzug aus der Stadt beschleunigen. Ein Vertreter der Aufständischen sagte, bislang sei nur etwa die Hälfte aller Zivilisten, die Ost-Aleppo verlassen wollten, aus der Stadt gebracht worden. Die Rebellen würden erst dann gehen, wenn die Zivilisten in Sicherheit seien.

Syriens Regierung erlaubte unterdessen die Stationierung von weiteren 20 UN-Beobachtern, die die Evakuierung überwachen sollen. Damit verdreifache sich fast die Zahl ausländischer Beobachter in Aleppo, sagte ein UN-Sprecher in Genf. Sie hätten allerdings keinen direkten Zugang zu den Evakuierungsbussen und den Menschen darin.

Die Schätzungen, wie viele Zivilisten aus Aleppo weggehen wollen, variieren zwischen einigen Tausend bis Zehntausende. Nach türkischen Angaben haben bislang 37.500 Menschen Ost-Aleppo verlassen. Das Rote Kreuz gibt die Zahl mit 25.000 seit Donnerstag an. Die Evakuierung solle bis Mittwoch abgeschlossen sein, erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Dienstag. Er reiste nach Moskau, wo er zusammen mit seinen Kollegen aus Russland und Iran über eine Beilegung des Syrienkonflikts beraten wollte. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif äußerte die Hoffnung, dass ein Waffenstillstand erreicht werde. Er sehe keine militärische, sondern nur eine politische Lösung.

Die Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Ingy Sedky, sagte am Dienstag, dass allein am Montag rund 15.000 Einwohner mit Bussen aus Ost-Aleppo in Sicherheit gebracht worden seien. Am vergangenen Donnerstag, dem ersten Tag der Evakuierungen, waren es demnach rund 10.000 Menschen.

Das IKRK leitet die zwischen Russland und Türkei, den Verbündeten der gegnerischen Seiten, vereinbarten Evakuierungen. Der Prozess wurde tagelang im Streit über die von Damaskus geforderte Evakuierung zweier von den Rebellen belagerter schiitischer Dörfer unterbrochen, erst in der Nacht zum Montag wurde er wieder aufgenommen. Aus den beiden Dörfern Fua und Kafraja wurden nach Angaben der IKRK-Sprecherin bislang 750 Einwohner gebracht.

Die einstige Wirtschaftsmetropole in Nordsyrien war seit 2012 geteilt: Der Westteil stand unter der Kontrolle von Damaskus, der Osten wurde von den Rebellen beherrscht. Den syrischen Regierungskräften war es in den vergangenen Tagen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe sowie schiitischer Milizen aus dem Libanon, Iran, Irak und Afghanistan gelungen, den Ostteil fast vollständig zurückzuerobern. Die Einnahme der Großstadt zählt zu den größten militärischen Erfolgen von Präsident Baschar al-Assad.

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11 Kommentare

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  • Währenddessen kommen erste Zahlen zu eingeschlossenen westlichen Militärberatern an die Öffentlichkeit.

     

    Der syrische UN-Botschafter verlas vor der Presse eine namentliche Liste von 12 Personen. Es handelt sich mehrheitlich um Saudis aber auch jeweils ein US-Amerikaner und ein Israeli sind u.a. dabei. (https://www.almasdarnews.com/article/video-syrian-ambassador-un-discloses-names-foreign-intelligence-agents-remaining-east-aleppo/)

     

    Eine andere Quelle spricht von fast 130 Beratern aus den USA, Frankreich, Großbritannien, Israel und der Türkei. (http://www.veteranstoday.com/2016/12/17/breaking-syrian-special-forces-captured-14-us-coalition-officers-captured-in-aleppo/)

     

    Es ist anzunehmen, daß es beim nicht-öffentlichen Teil der Verhandlungen zur UN-Evakuierungs-Resolution auch um diskrete Bergung dieser "Ressourcen" ging.

  • Diese ganze empörende Vertreibung der Einwohner durch ein nicht legitimiertes Regime krimineller Banden wird in seiner ganzen Asymmetrie hier umfangreich dokumentiert: http://takingsides.thesyriacampaign.org/

    „Taking sides: The United Nations’ loss of impartiality, independence and neutrality in Syria.“

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Ein Versuch der sachlichen Auseinandersetzung:

       

      auf Seite 12 wird eine Statistik von Syrian Network for Human Rights präsentiert mit der Überschrift "Wer tötet Zivilisten in Syrien" (März 2011 - März 2016). Danach ist die Regierungsseite für ca 95% (183.827) der zivilen Todesopfer verantwortlich, alle anderen (7) Beteiligten mit ca. 1% für den Rest.

       

      Nun, alleine das beißt sich mit den Angaben in Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/Syrian_Civil_War) wo die Gesamtzahl der zivilen Opfer auf ca. 90.000 geschätzt wird. Die Angaben von Herrn Fadel Abdul Ghani stimmen allerdings dann wieder, wenn man dazu die (auch bei Wikipedia angegebene) Anzahl der gefallenen "moderaten" Rebellen hinzuaddiert (ca. 100-139 Tsd.). Da scheint also die Methode klar: keine Uniform = Zivilist.

       

      BTW, die Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut (und Frau Scheller im besonderen) sollen echt aufpassen bevor sie sich für eine parteiische Propaganda hergeben.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        "wo die Gesamtzahl der zivilen Opfer auf ca. 90.000 geschätzt wird..."

         

        ...und sie nicht als Opfer auf einzelne Kriegsparteien (im Unterschied zu den gefallenen Kämpfern) "verteilt" werden.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        ... die HBS tut das nicht unabsichtlich. Sie ist stramm transatlantisch ausgerichtet. https://www.heise.de/tp/features/Die-Gruenen-Parteiferne-Anstiftung-3370415.html

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @jhwh:

          Kein Wunder, dass Zion ausgetreten ist. Wenn man in so ein Geflecht reinschaut...

    • @nzuli sana:

      Stimmt. IS und Nusra vertreiben tatsächlich Menschen. Mich wundert es nur, dass ausgerechnet Sie darauf hinweisen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Dass sie niemals eine Stellungnahme so stehen lassen können, ist schon sehr krankhaft.

         

        Die Shabiha Milizen und das ganze Assad-Regime ist eine kriminelle Bande, die durch Putsch an die Macht kam.

        Das wissen Sie.

        • @nzuli sana:

          Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Merkwürdig, wenn Propaganda ungefiltert bleibt, es aber "unsachlich" ist, dagegen aufzutreten.

             

            Das können Sie ruhig auch wieder löschen. Einige werden es bis dahin gelesen haben.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Sie schrieben dort doch auch, dass durch das Einrücken der Armee in die letzte Enklave, als für die Bevölkerung vermutlich entlastend empfunden, die andauernden Kampfhandlungen endlich mal aufhören würden (jedenfalls sowas ähnliches).

              Dass Ihre kritischen Kommentare als "krankhaft" bezeichnet und dann auch unmoderiert so stehenbleiben dürfen, macht kritische Mitleser natürlicherweise besonders nachdenklich. Aber es macht einen auch etwas versöhnlicher, dass es eben überhaupt, auch so umfänglich kritische Leute wie Sie gibt. Respekt.