Evakuierungen aus Afghanistan: Engagement für bedrohte Frauen
Frauen- und Geschlechterforscher*innen fordern vom Auswärtige Amt, mehr bedrohte Afghan*innen in Deutschland aufzunehmen.

Geschäft in Kabul, unter den Taliban sollen Frauen wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden Foto: Jorge Silva/reuters
BERLIN taz | Ein Bündnis von Frauen- und Geschlechterforscher*innen appelliert an das Auswärtige Amt, mehr bedrohte Afghan*innen in Deutschland aufzunehmen. Es stehe zu befürchten, dass sich die massive Unterdrückung von Frauen aus der früheren Talibanherrschaft wiederholen werde, heißt es in dem offenen Brief, der am Montag an das Auswärtige Amt geschickt wurde. Die Unterzeichnerinnen bitten das Amt, seine sogenannte Menschenrechtsliste wieder zu öffnen und besonders Frauen und LGBTQI-Jugendliche zu evakuieren.
Das Auswärtige Amt führt zwei Listen für Afghanistan: eine für die, die als Ortskräfte für deutsche Institutionen gearbeitet haben. Und eine Menschenrechtsliste, auf der besonders schutzbedürftige Afghan*innen stehen, die für die Demokratie gekämpft haben.
Wer auf einer der Listen steht, darf nach Deutschland, die allerwenigsten sind bereits in Deutschland. Die Menschenrechtsliste wurde allerdings vor einigen Wochen geschlossen. Darauf stehen gut 2.600 Personen und deren Familien, weitere sollen erst einmal nicht hinzukommen.
Die Autor*innen des offenen Briefs haben eine Liste mit Namen von 117 Frauen beigefügt, die aus ihrer Sicht besonders gefährdet sind: ehemalige Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern, Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen, Aktivistinnen, LGBTQI-Jugendliche.
Forderung von Omas gegen Rechts
„Die Stärkung der afghanischen Frauen war eines der zentralen Themen, warum die Afghanistan-Intervention vor 20 Jahren gestartet wurde“, sagt Sabine Hess. Sie ist Direktorin des Göttingen Centers for Global Migration Studies und hat den Brief unterzeichnet. „Angesichts dessen empfinden wir es als Heuchelei, dass gerade Frauen nun darum bangen müssen, ob sie in Deutschland Schutz finden.“
Hess und ihre Kolleg*innen haben zuvor versucht, die Afghan*innen direkt über das Auswärtige Amt nach Deutschland zu holen. „Nach kurzer Zeit sind wir daran verzweifelt. Uns wurden keine Ansprechpartner im Ministerium genannt, das ganze Verfahren schien chaotisch.“ Das habe ihnen gezeigt, dass sie ihren politischen Druck anders organisieren müssten.
Unterschrieben haben den Brief Vertreter*innen von zehn Forschungseinrichtungen, darunter der Berliner Humboldt-Universität und der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Das Auswärtige Amt hat sich bis Montagnachmittag gegenüber der taz nicht geäußert.
In den vergangenen Tagen haben mehrere Organisationen an die Bundesregierung appelliert, Afghan*innen schneller zu retten. Die „Omas gegen rechts“ haben eine Petition und einen Spendenaufruf gestartet. Das Bündnis unterstützt 26 Ortskräfte und ihre Familien in Afghanistan.
Die Dresdner Initiative Mission Lifeline schrieb in einem Statement, dass sich viele Ortskräfte von Deutschland alleingelassen fühlten. Ihnen gehe das Geld aus, es fehle an Medikamenten, die mangelnde Perspektive treibe sie in die Hände krimineller Schlepper.
Durch die Evakuierungsaktion aus Afghanistan sind bisher rund 6.100 Menschen nach Deutschland gebracht worden. 5.208 von ihnen seien Afghanen und 543 deutsche Staatsbürger, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag. Unter den Eingereisten seien auch 349 Ortskräfte