Europaweiter Tag zu Depressionen: Es kann jeden treffen
Nur die Hälfte der depressiven Erkrankungen wird tatsächlich als solche erkannt, noch weniger werden angemessen behandelt. Darunter leiden die Betroffenen – und die Suizidstatistik.
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Leser*innenkommentare
kuba.s
Gast
Solange ein biologistischer Ansatz der Psychiatrie die sozialen Bedingungen unter denen wir uns verrückt und depressiv verhalten ausblendet, wird wohl die andere Hälfte der Betroffenen unentdeckt bleiben und die Erfolgsquote der Behandlung wohl nicht über die 10% steigen. Wer will sich schon gerne stigmatisieren lassen als „gestört“ und anormal, obwohl er/sie gute (evtl. nicht offensichtliche) Gründe hat sich unter solchen Umständen so zu verhalten? Und wie will eine Behandlungsmethode diese Probleme, die aus (sozialen, historischen) Lebenskontexten der Betroffenen resultieren, mit Medikamenten lösen?
elisabeth
Gast
soweit ich von gesprächen mit betroffenen weiss, ist es nicht gerade easy ein gute (!) behandlung zu bekommen. es ist sogar eine unglaubliche frechheit, einen menschen, der mit lebenswichtigen sorgen zu einem arzt geht, diesen mit ein paar pillen und ohne kompetentes gespräch wegzuschicken! psychopharmaka?! ich kann nicht glauben, dass die taz das befürwortet. auf therapieplätze muss man wahnsinnig lange warten (ein halbes jahr!). ... es kann jeden treffen .. ich halte diesen artikel für schwachsinn. eine depression hat schon einen grund. kommt nicht so wie eine grippe daher. und in den meisten fällen sozial/gesellschaftliche gründe. ursachen, die es zu bekämpfen gilt !
bbux
Gast
"Das vom Klinikarzt verschriebene Medikament verordnet dann auch der weiterbehandelnde Arzt – und das Pharmaunternehmen ist der Gewinner. Verlierer ist womöglich der Patient, wenn er mit einem anderen Medikament besser oder gezielter behandelt werden könnte."
Das ist - mit Verlaub - totaler Unsinn. In den Kliniken werden in der Regel Medikamente des oberen Preissegments verordnet. Die können von den niedergelassenen Ärzten im allgemeinen schon deshalb nicht unkritisch weiterverordnet werden, weil die teuren Pillen schnell das Budget sprengen und der Arzt dadurch zum Regressfall werden könnte. Außerdem haben inzwischen bekanntermaßen viele Kassen Rabatverträge mit Pharmafirmen, was bei der Verschreibung von Medikamenten berücksichtigt wird.
Es kommt in der Tat nicht eben selten vor, dass ein Patient mit einem Medikament behandelt wird, für das es eine bessere (und oftmals teurere) Alternative gäbe - aber da Kassenpatienten laut Gesundheitsministerium nicht 'gut' oder gar 'sehr gut' sondern lediglich 'ausreichend' behandelt werden müssen und die Krankenkassen dementsprechend die Bezahlung verweigern, haben die niedergelassenen Ärzte praktisch keinen Spielraum.
winchester73
Gast
Ein guter Artikel, nur das Wort "Selbstwertgefühl" im letzten Satz bedient zu sehr die weit verbreitete Überschätzung dieses Faktors. Er spielt sicher oft eine Rolle, aber oft nur eine eher sekundäre. z.B. ein langjähriger Freund von mir, der in eine Depression stürzte, auch behandelt wurde, sich aber dennoch das Leben nahm, hatte einige (sogar recht klar von ihm selbst benennbare) Konflikte, die viel mit der Welt zu tun hatten, wie sie v.a. ohne ein bestimmtes Mindestmaß an Zuversicht (für sich selbst aber auch für den Rest unseres Planeten und sogar darüber hinaus) erscheinen kann, aber mit seinem Selbstwertgefühl hatte das sehr wenig zu tun.
Was ich außerdem bei anderen depressiven Menschen schon desöfteren bemerkt habe, ist nicht primär ein Gefühl "an sich" oder gegenüber sich selbst, wenig wert zu sein, sondern dass die U.m.w.e.l.t ihnen zu wenig Wertschätzung entgegen bringe - und das ist etwas anderes! Und oft haben diese Menschen mit ihrer Wahrnehmung sogar nicht einmal völlig unrecht - z.B. weil sie nicht wie ein Superstar aussehen, oder beruflich erfolglos sind. Das kann dann freilich zu einem sich verstärkenden Teufelskreis werden - und richtig ist die Sache mit dem "Selbstwertgefühl" insofern, als solche Menschen dann mehr eigenes, von ihrer Umwelt unabhängiges Selbstwertgefühl brauchen, als diejenigen, die tatsächlich mehr Wertschätzung von ihrer Umwelt, v.a. von ihnen wichtigen Personen erfahren.
Die Gesellschaft sollte sich hier aber selbstkritisch fragen, wie sie dazu beiträgt, viele solche Menschen auf vielfache Weise in eine Depression zu treiben (zumal auch bei stärkerer "Veranlagung" immmer zugleich "äußere" Ursachen und Auslöser beteiligt sind, ohne die es oft erst gar nicht so weit käme).