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Europäisches StatistikamtJedes vierte Kind von Armut bedroht

Im reichen Europa gibt es arme Kinder. Zu viele, meint die Linken-Abgeordnete Zimmermann. Sie fordert eine Kindergrundsicherung als eigenständige Leistung.

In Deutschland steigt die Kinderarmut seit 2012 wieder an Foto: dpa

Berlin dpa | Mehr als jedes vierte Kind in Europa unter 16 Jahren ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. 22,85 Millionen oder 27,4 Prozent aller Kinder in Europa wuchsen demnach 2014 in benachteiligenden sozialen Verhältnissen heran. 2010 waren es noch 27,2 Prozent oder 22,6 Millionen unter 16-Jährige, bis 2014 ein Anstieg von über 200.000. Das geht aus Daten des Europäischen Statistikamtes Eurostat hervor, die die stellvertretende Fraktions-Vorsitzende der Linken, Sabine Zimmermann, ausgewertet hat.

Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: „Armut und soziale Ausgrenzung verharren in Europa auf skandalösem Niveau. Das bekommen auch ganz besonders die Kinder zu spüren. Ein Politikwechsel auf europäischer Ebene ist dringend notwendig: Investitionen und Umverteilung statt Kaputtsparen.“

In Deutschland steigt nach Angaben von Zimmermann die Kinderarmut seit 2012 wieder an. Waren 2012 rund 2,13 Millionen Kinder von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, waren es 2014 rund 2,27 Millionen, 140,.000 Kinder mehr. Der Anteil dieser armen Kinder an der Gesamtzahl der Kinder in Deutschland sei von 18,2 Prozent 2012 auf 19,3 Prozent 2014 angestiegen.

Die Linken-Politikerin argumentierte weiter: „Wir brauchen soziale Standards in Europa, statt ein Europa des Sozial- und Lohndumpings.“ Besonders dramatisch sei in diesem Zusammenhang die Politik der Bundesregierung, die ihr Sparkonzept in ganz Europa durchsetze. „Die Aufgabe der Bundesregierung wäre es, mit durchgreifenden Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Deutschland und in Europa vorzugehen.“

Zimmermann forderte, dass unter anderem die Regelsätze für Kinder bei Hartz IV in Deutschland erhöht werden müssten. „Perspektivisch ist eine Kindergrundsicherung als eigenständige Leistung zu entwickeln.“

Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) von Ende Mai ist in Deutschland rund jedes siebte Kind von Hartz IV abhängig. 2015 waren im Schnitt 1,54 Millionen der unter 15-Jährigen betroffen. Das waren gut 30.000 mehr als im Vorjahr.

In einzelnen Regionen ist demnach die Lage besonders schwierig: So ist in den Stadtstaaten Bremen und Berlin mit 31,5 Prozent fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Prozentual am wenigsten Betroffene gibt es in Bayern mit 6,5 Prozent.

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15 Kommentare

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  • jedes 4 Kind von Armut bedroht.....und wieviele sind jetzt schon Arm?

  • Es gab mal den Gedanken, Kindergeld und die Ausbildung der Kinder auf Europäischer Ebene zu regeln. (Dann würde die EU-Kommission mal was sinnvolles machen). Grundsätzlich ist das überlegenswert.

     

    Allerdings, das Alleinerziehendenwesen, die Ausgrenzung des zweiten Elternteiles und die Machenschaften der EU Kommission und PETI bei den UK Zwangsadoptionen (Fenton Glynn Report etc), Förderung des Kinderhandels durch internationale Adoptionen (da wurden noch rechtzeitig Gelder von DG JUST für ein IT Projekt in Rumänien gesperrt), Verweigerung der Umsetzung von EU Familiengerichtsurteilen in anderen EU Ländern (2201/2003EC dh 'Brussels IIa' und die Verweigerung der EU CFR (speziell Artikel 24)) , da richtet die EU Kommission heute schon derart viel Schaden an, dass es womöglich besser ist wenn die da nicht mitmischen. Adoptionen für gleichgeschlechtliche Paare (8% der Zwangsadoptierten Kinder in UK gehen da hin) wäre dann wohl das nächste was die aufgreifen würden.

     

    Aber, wenn die Kinder und Jugendlichen keine Perspektiven haben das ist sehr gefährlich. Die Jugendarbeitslosigkeit ist eine Zeitbombe.

  • Ich vermute mal in Europa sieht es noch besser aus als in anderen Teilen der Welt- und die reichsten der Reichen hängen auf ihrem Geld -

    http://taz.de/Oxfam-Studie-zur-sozialen-Ungleichheit/!5269014/

  • 1G
    12671 (Profil gelöscht)

    Die Schere geht auseinander? Wir schaffen das... sagt Frau Merkel.

  • "Interessant ist allenfalls, dass dieser gewaltige Konsens sich so nicht gerne in der Öffentlichkeit posititionert."

     

    Na ja, irgendwie doch in der (protestantischen) Form "wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen". Wird heute gern von allerlei Gruppierungen, auch außerprotestantischen so übernommen. Blöd nur, dass es auch viel Arbeit gibt, von der man nicht essen kann bzw. nicht die ganze Familie und zudem gibt es noch andere Umstände, die begründen, weshalb nicht jede/r arbeiten kann. DAS will aber fast niemand wahr haben.

     

    Es gibt auch genug Untersuchungen, die zeigen, dass arme Kinder meist auch als Erwachsene arm sind und Kinder reicher Eltern auch (meist sogar ohne großes Zutun) später auch reich sind und bleiben.

    • @Hanne:

      sollte eine Antwort zu @ANDREAS_2020 sein

  • „Armut und soziale Ausgrenzung verharren in Europa auf skandalösem Niveau. Das bekommen auch ganz besonders die Kinder zu spüren. Ein Politikwechsel auf europäischer Ebene ist dringend notwendig: Investitionen und Umverteilung statt Kaputtsparen.“

     

    Die Armut ist erwünscht und mindestens in Deutschland durch ALG II / Hartz-IV seit 2005 gefördert worden. Die Idee ist eben, dass arme Menschen aus eigenem Handeln arm werden und deren Kinder in Armut besser lernen, sich gut zu verhalten und Fortschritt zu machen. Das war und ist die Idee von SPD, CDU, CSU und der Grünen, wahrscheinlich vertritt auch die AfD diese Haltung gegenüber Armut. Interessant ist allenfalls, dass dieser gewaltige Konsens sich so nicht gerne in der Öffentlichkeit posititionert.

    • @Andreas_2020:

      "Die Idee ist eben, dass arme Menschen aus eigenem Handeln arm werden und deren Kinder in Armut besser lernen, sich gut zu verhalten und Fortschritt zu machen." Ziemlich krude Theorie. Seit wann glauben Menschen, dass Menschen in Armut lernen sich gut zu verhalten? Und Fortschritt zu machen?? Oh man.

      • @Sapasapa:

        Dass ist die zentrale Idee der SPD bei dem Reformwerk Hartz gewesen. Krude, würde ich Ihnen zustimmen, aber offenbar auch sehr populär, anders kann man die große Zustimmung im Bundestag ja nicht erklären. Die SPD nennt das Agenda-Philosophie. Und die bekanntesten Vertreter sind Gerd Schröder, Wolfgang Clement, Franz Müntefering, Olaf Scholz, Siegmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück. Das sind keineswegs die Randfiguren der SPD - sondern in den Jahren 1998 bis 2005 wichtige Regierungsmitglieder, sogar der Kanzler Schröder war davon zutiefst überzeugt. Er stammte selber aus einer prekären Gesellschaftsschicht und glaubt offenbar an das Konzept Arbeit anstelle von Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe. Der Staat soll sich hier zurückziehen und lieber Geld in Bildung investieren.

        • @Andreas_2020:

          Und Andrea Nahles setzt das leider in aggressiver Form ebenso fort.

           

          Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass Menschen, die von ihrer Arbeit nicht leben können oder auch erst gar keine haben, im Begriff sind staatlich und gesellschaftlich diskriminiert und vorverurteilt zu werden. So was gab und es gibt es auch schon für andere Menschengruppen, die letztendlich als "asozial" eingestuft wurden und in KZs landeten (u.a. unter der Überschrift "Arbeit macht frei")

           

          Es ist so bitter...

        • @Andreas_2020:

          Jetzt schreiben Sie es richtiger: die glauben an Arbeit anstelle von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe - woran man nichts auszusetzen haben muss. Immer eine Frage der Umsetzung. Vorher schrieben Sie noch "Armut" anstelle von "Arbeit", was nicht zwangsläufig dasselbe ist, und was man den von Ihnen genannten Leuten auch nicht unbedingt unterstellen muss.

          • @Sapasapa:

            Heute ist Armut allerdings oft sogar an Arbeit gekoppelt, aber auch daran wird kaum etwas geändert, denn vom aktuellen Mindestlohn lässt sich auch nicht sparen und Kinder füttern.

            • @Hanne:

              Ja, geht alles an der ursprünglichen Aussage des Posters vorbei, der eben von "Armut" an sich sprach.

  • Bayern mal wieder top - Bremen und Berlin mal wieder Flop.

    Ich wette NRW ist auch nicht weit weg.

    • @Thomas_Ba_Wü:

      Tja, liegt wohl daran, dass Bayern und Ba-Wü den ganzen Kuchen für sich beanspruchen, den anderen Ländern die Investoren und Gelder wegschnappen usw. Siehe Wegschnapp-Projekt S21: Wer dieses 10 plus-Milliardenloch sehenden Auges zulässt, kann getrost auch in den LFA einzahlen.