Europa in Aufruhr: Rechte Koalition und rechter Spion
In den Niederlanden regieren Rechte. Ein AfD-Abgeordneter und Georgien agieren russlandfreundlich. Immerhin: Unser Olaf fordert mehr Mindestlohn.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Und was wird besser in dieser?
Anklage gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Scholz forderte eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Woher kommt plötzlich der sozialdemokratische Geist des Kanzlers?
Aus dem Mathe-Grundkurs? 2023 betrug die Inflation in Deutschland 5,9 Prozent. Der Mindestlohn stieg danach um 41 Cent, also nur 3,4 Prozent. Zuvor, 2022, hatte die frisch gewählte Ampel fast 15 Prozent draufgelegt – Einlösung eines Wahlversprechens. Mal vergreift sich die Politik am Mindestlohn, mal rächt sich die Mindestlohnkommission mit Hungerkrümeln. Mag sein, dass Scholz im EU-Wahlkampf auch mal den Kaola-Querulanten geben will, die FDP feiert seinen Übergriff schon. Allerdings gibt es dahinter noch einen Wahlkampf im Wahlkampf: Das Mandat der aktuellen Mindestlohnkommission endet dieses Jahr, die Bundesregierung muss eine neue berufen. Schön wäre, wenn die künftige einfach fair abliefert. Irgendwas, was aus der Ferne noch ein bisschen nach Tarifautonomie aussieht.
Der DFB Kader für die diesjährige EM wurde in besonderer Manier, etwa von Influencern, Sängern und Bäckern bekanntgegeben. Ist das geniales Marketing oder Quatsch?
Genialer Marketingquatsch. Es ist wie mit allen Witzen: Wenn man sie hinterher erklärt, werden sie nicht lustiger oder waren es nie. Der DFB möchte eine dönerbudenbasierte Massenbegeisterung, und wie stets, wenn man am Gras zieht, wächst es nicht schneller – sondern: Man reißt es aus. Wohlan, wenn die Mannschaft erfolgreich spielt, kommt der Rest von allein. Wenn dann Bäckerdönerfriseurläden mit der Nationalmannschaft werben, wird der DFB heldenmütig darauf verzichten, sie wegen Markenmissbrauchs zu verklagen. Wie sonst gern. Einer geht noch!
In den Niederlanden tritt eine rechte Koalition an. Dabei sollen außerparlamentarische Fachleute die Posten von Ministern und Staatssekretären besetzen. Was halten Sie davon?
Marionette sich, wer kann. Wilders und die ParteichefInnen seiner Koalition bleiben im Parlament und können dort, Haider-Style, gegen die eigene Regierung stänkern. Wohnungsnot, Mängel im Gesundheitswesen – das waren laut Wahlkampf die Migranten schuld. Nun soll die neue Regierung das „strengste und umfassendste“ Zuwanderungsregime umsetzen. Wenn dann nichts besser wird, ist die trottelige Expertenregierung schuld, wenn doch – wird Wilders halt nächstes Mal Premier. Die Welt resümiert, die Niederlande stellten sich so „gegen den Mainstream im Deutschland der Ampelkoalition“. Alles erst mal auf uns zu beziehen, hat uns Deutsche in den Niederlanden ja sehr beliebt gemacht. Davon abgesehen: Manche hier beobachten Wilders Expertokratie offenbar mit Hoffnung.
In Georgien hat das Parlament das sogenannte Agentengesetz final verabschiedet. NGOs und Medien, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, müssen sich nun als „Vertreter ausländischer Interessen“ registrieren lassen. Was heißt das für die Opposition und Presse im Land?
In Georgien gibt es, auch nach westlichen Statistiken, Zigtausende auch ausländisch finanzierte NGOs, von denen allerdings viele inaktiv sind oder keine politischen Zwecke verfolgen. Jetzt wird nach Hirneslust mit dem „russischen Gesetz“ verglichen, das dort unter dem Rubrum „ausländischer Agenten“ die komplette Opposition niedermacht. Oder dem amerikanischen „Foreign Agents Registration Act“ oder gleich mit EU-Regelungen, nach denen derzeit politische Werbung aus Geldern außerhalb der EU verboten ist. Kurz: Bei Licht betrachtet ist der Konflikt verhandelbar, und wer keine „zweite Ukraine“ will, sollte das auch tun. Der Ähnlichkeiten sind schon jetzt genug.
Das Büro des AfD-Abgeordneten Petr Bystron wurde durchsucht. Ihm wird vorgeworfen, Schmiergeld aus Russland angenommen zu haben. Vergangene Woche wurde bereits das Büro des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, durchsucht. Werden die Vorfälle die AfD bei der Europawahl schwächen?
Die bisher übliche Strategie – mit dem Brett vorm Kopf durch die Wand – wackelt, Weidel und Chrupalla verstecken ihre Spitzenkandidaten und meiden Solidaritätsadressen. Viele AfD -Wähler ahnen, dass die Erde keine Scheibe ist, stehen aber völlig drauf, wenn’s trotzdem jemand behauptet. Ergo: Die Sache schadet der Partei.
Und was machen die Borussen?
Pfingsten durchheulen. Erst Marco Reus’ berührender Abschied mit Freistoßtor, Ehrenspalier und großer Choreo; dann weiterweinen mit Jürgen Klopps Feierabend in Liverpool. Das Champions-League-Finale müssen sie gewinnen, Tränen sind alle.
Fragen: Joscha Frahm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund