Eurokolumne: Ein irisches Märchen
Was ist gut daran, wenn die Regierung in Dublin verkündet, den Euro-Rettungsschirm zu verlassen? Wenig. Irland ist kein Erfolgsmodell.
E s ist die erste Erfolgsmeldung der Eurokrise. Oder? Die Süddeutsche Zeitung bemerkte dazu, dass Irland offiziell am Sonntag den Rettungsschirm der Troika verlassen hat, „Sparen lohnt sich“ – und ist mit dieser Interpretation nicht allein. Hat die schwäbische Hausfrau doch recht? Müssen die Lehrbücher der Volkswirtschaftslehre wirklich neu geschrieben werden?
Wer hinter die Kulissen schaut, entdeckt sehr schnell, dass Irland alles andere als ein Erfolgsmodell ist – und schon gar nicht als Beweis dafür taugt, dass man sich aus einer schweren Wirtschaftskrise heraussparen kann. Irland verlässt nicht wegen, sondern trotz „Sparens“ den Rettungsschirm.
Aber was heißt das eigentlich konkret? Hat Irland nun etwa sämtliche Rettungsgelder zurückbezahlt? Aber nicht doch, dies ist – wenn alles gut läuft – erst 2042 der Fall. Haben dann die Budgetkürzungen zu einem ausgeglichenen Staatsetat geführt? Im Gegenteil. In diesem Jahr wird Dublin ein Haushaltsdefizit von 7,3 Prozent hinlegen, mehr als doppelt so viel wie in der Eurozone laut Maastricht-Grenzwert erlaubt ist.
Haben es die Euroretter denn geschafft, die irischen Staatsschulden auf ein tragfähiges Niveau zu senken? Schön wär’s: 2014 wird die Staatsschuldenquote die 130-Prozent-Marke knacken. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Irland sogar Griechenland als höchst verschuldeter Staat der EU überholt hat.
Bald hat Irland sogar Griechenland überholt
Aber worin ist Irland denn dann so erfolgreich? Boomt vielleicht die Realwirtschaft? Natürlich nicht. Erst in diesem Jahr rutschte Irland zum zweiten Mal während der Krise in eine Rezession. Die privaten Investitionen markieren mit 10 Prozent des BIP den niedrigsten EU-Wert. Die Arbeitslosigkeit hat sich fast verdreifacht, die Menschen verlassen das Land, die Verschuldungsquote der Privathaushalte ist die höchste der Welt. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Wenn Irland den Rettungsschirm verlässt, heißt dies lediglich, dass es künftig seine Staatsanleihen wieder ganz normal über die Finanzmärkte ausgibt. Seit Mitte 2012 sind die Kurse für irische Staatsanleihen nämlich wieder auf einem Niveau, bei dem es kaum einen Unterschied macht, ob das Land seine Zinsen beim Rettungsschirm oder bei den Banken und Fonds bedient.
Glaubt man deutschen Politikern und Leitartiklern, ist dies der Beweis dafür, dass die Sparpolitik greift. Warum sonst sollten die Investoren der Grünen Insel wieder vertrauen? Nun, die Investoren trauen der Grünen Insel nach wie vor nicht über den Weg. Sie wissen aber, dass die EZB alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um Irland einen Staatsbankrott zu ersparen. Und sie wissen auch, dass es sich um ein Prestigeprojekt der Euroretter handelt. Sollte Irland, das buchstabengetreu die Vorgaben der Troika umgesetzt hat, in den Bankrott gehen, wäre dies nämlich der Beweis dafür, dass die Vorgaben falsch sind. Das kann doch keiner wollen. Oder?
Wie lange die „Erfolgsgeschichte“ hält, steht überdies in den Sternen. Da die Realwirtschaft nach wie vor am Boden ist und die irischen Banken bereits im nächsten Jahr neue Geldspritzen brauchen, wird das Land schon bald sehr viel neues Geld benötigen. Es ist ungewiss, ob die Zinsen dann noch auf einem niedrigen Niveau sind. Da Irland das Prestigeprojekt der Eurohelden ist, dürfte die Troika schon Mittel und Wege finden, um eine Rückkehr unter den Rettungsschirm zu verhindern.
Beispielsweise: Der Rettungsschirm ESM könnte Pleitebanken direkt finanzieren. Die Rechnung dafür wird dann auch dem deutschen Steuerzahler präsentiert. Dies ist jedoch nur fair, da Irlands Staatsschulden zu einem übergroßen Teil aus Geldspritzen für irische Banken bestehen, deren Sinn und Zweck es war, deren Verbindlichkeiten bei deutschen Banken zu begleichen. Und so schließt sich der Kreis. Der deutsche Steuerzahler übernimmt die Verluste deutscher Banken. Wäre da nur nicht noch das irische Volk, das für diesen Irrsinn bestraft wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance