EuGH-Urteil zu Versicherungen: Unisex-Tarife für Männer und Frauen

Versicherungen müssen in Zukunft für Frauen und Männer einheitliche Tarife anbieten. Das entschied der Europäische Gerichtshof am Dienstag.

Zahlen in Zukunft gleich viel für ihre Versicherung: Männlein und Weiblein. Bild: erdbeertorte/photocase.com

Versicherungen dürfen Menschen nicht länger nach Geschlecht diskriminieren. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg beschlossen. Die unterschiedlichen Tarife und Leistungen für Männer und Frauen verstießen gegen das Gleichbehandlungsgebot der EU-Verträge und sind nur noch bis Dezember 2012 zulässig.

In Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern ist es üblich, dass private Versicherungen Tarife für Männer und Frauen unterschiedlich kalkulieren. Begründet wird dies mit versicherungsmathematischen Berechnungen. Meist zahlen Frauen die höheren Tarife, weil sie eine längere Lebenserwartung haben oder häufiger zum Arzt gehen. Gern weist die Versicherungswirtschaft darauf hin, dass Frauen bei der Kfz-Haftpflicht billiger wegkommen, weil sie weniger schwere Unfälle verursachen. Die Regel ist das aber nicht mehr.

Frauen zahlen im Schnitt 1.500 Euro mehr Versicherungsbeiträge im Jahr als Männer, ergab eine Recherche des Handelsblatts im letzten Oktober. Die Zeitung verglich dabei zwei 40-jährige kinderlose Singles unterschiedlichen Geschlechts und ging dabei von einer Vollausstattung mit privaten Lebens-, Kranken-, Kfz-Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits- und Rentenversicherungen aus.

Eigentlich sind solche geschlechtsspezifischen Diskriminierungen schon lange verboten. Eine EU-Richtlinie von 2004 bestimmt, dass Versicherungen "spätestens bei den nach dem 21. Dezember 2007 abgeschlossenen Verträgen" keine unterschiedlichen Prämien und Leistungen vorsehen dürfen.

Bei den Brüsseler Verhandlungen sorgte jedoch die Versicherungswirtschaft dafür, dass in die Richtlinie noch eine Ausnahmeklausel aufgenommen wurde. Danach sind in EU-Staaten, die schon geschlechtsspezifische Prämien kennen, diese weiterhin erlaubt, wenn sie auf transparenten versicherungsmathematischen Berechnungen basieren. Nur die Kosten von Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auch hier bei der Berechnung der Tarife keine Rolle spielen.

Von dieser Ausnahmeklausel wollte auch Belgien für Lebensversicherungen Gebrauch machen, wogegen eine belgische Verbraucherschutzorganisation klagte. Das belgische Verfassungsgericht legte den Streit daraufhin dem EuGH zur Entscheidung vor.

Die EU-Richter kamen nun zu dem Schluss, dass die Ausnahmeklausel gegen die EU-Grundrechtecharta und andere EU-Verträge verstößt, die eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen vorschreiben. Die Ausnahmeklausel sei inakzeptabel, weil den EU-Staaten dauerhaft - und nicht nur übergangsweise - eine Abweichung erlaubt wurde.

Der EuGH ist sogar großzügig und lässt die Ausnahmeklausel übergangsweise noch fast zwei Jahre bestehen, bis zum 21. 12. 2012. Sind dann nur noch Tarife mit gleichen Prämien und Leistungen für Männer und Frauen zulässig? "Bereits bestehende Verträge sind von dem Urteil nicht betroffen", behauptet der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. Das dürfte vermutlich falsch sein. Wenn die Ausnahmeklausel ungültig ist, dann gilt überall die Grundregel der Richtlinie, die für alle Verträge Unterschiede verbietet, die ab Dezember 2007 geschlossen wurden.

Die Bundesregierung hat höhere Frauenprämien in der privaten Krankenversicherung noch im August letzten Jahres gerechtfertigt. Dies sei "nach europäischem und deutschem Recht zulässig", hieß es auf eine Anfrage der Linken. (Az.: C-236/09)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.