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EuGH-Urteil zu DieselskandalTeure Fahrlässigkeit

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Viel mehr Die­sel­fah­re­r:in­nen als bislang können laut EuGH auf Schadensersatz hoffen. Das Urteil ist auch ein Dienst an der Umwelt.

Zehntausende Schadenersatzklagen gegen Mercedes scheiterten Foto: Andreas Haas/imago

I m achten Jahr nach dem Auffliegen eines der größten Betrugsskandale der Wirtschaftsgeschichte hat der Europäische Gerichtshof ein wohl epochales und für die Konzerne wahrscheinlich sehr teures Urteil gefällt. Danach steht dem Eigentümer eines Mercedes Diesel Schadenersatz wegen ungenügender Abgasreinigung zu, auch wenn das Auto diese nicht „vorsätzlich“ mit betrügerischer Absicht abgeschaltet hat, sondern aus „fahrlässigem“ Grund.

Der Unterschied klingt läppisch, dürfte aber für Millionen Die­sel­fah­re­r:in­nen in Europa bares Geld wert sein. Das Urteil bezieht sich auf einen Skandal im Dieselskandal. Bei dem im September 2015 bekannt gewordenen systematischen Betrug von Volkswagen ging es darum, dass hohe Stickoxidwerte aus dem Auspuff nur zur Typgenehmigung für die Behörden auf dem Prüfstand eingehalten wurden, nicht aber auf der Straße.

Dafür musste Volkswagen bereits 32 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigungen bezahlen. Das aktuelle Vergehen ist aber noch umfassender: Die „Thermofenster“ – also eine Abgassoftware – sorgen dafür, dass die Reinigung der Emissionen nur bei einer Temperatur von zum Beispiel zwischen 15 und 33 Grad stattfindet, um Motorenteile vor zu großer Hitze zu schützen. Bei den in diesem Fall betroffenen Volkswagen funktionieren die Thermofenster in kühleren bis kalten Jahreszeiten hingegen nicht.

Ob fahrlässig oder vorsätzlich, macht also nun keinen Unterschied. Zehntausende Schadenersatzklagen gegen Mercedes scheiterten, weil bislang vor deutschen Gerichten die Linie galt: Nur bei Vorsatz, also gezielter Täuschung des Käufers, nicht aber bei Fahrlässigkeit besteht Anspruch auf Wiedergutmachung durch die Konzerne. Da setzt das aktuelle Urteil aus Luxemburg neue Maßstäbe.

Fest steht: Die Konzerne haben Kun­d:in­nen und Aufsicht jahrelang mit infamer Dreistigkeit für noch mehr Profite betrogen. Wichtig ist nun, dass das Urteil schnell und gründlich zugunsten der irregeführten Eigentümer und vor allem zugunsten der Umwelt auf nationaler Ebene umgesetzt wird.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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2 Kommentare

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  • "Wichtig ist nun, dass das Urteil schnell und gründlich zugunsten der irregeführten Eigentümer und vor allem zugunsten der Umwelt auf nationaler Ebene umgesetzt wird."

    Eher friert die Hölle ein !

    Vor Gericht hat ja der "mutmaßliche Wille des Gesetzgebers" ein hohes Gewicht.

    Und dieser Wille ist im Zweifel darauf ausgerichtet "die da oben" bestmöglichst zu schonen.

    Und man fragt sich doch zwangsläufig wessen Willen denn da im Detail die maßgebliche Rolle spielt.

    Die des Gesetzgebers der das Gesetz verabschiedet hat oder die des gerade amtierenden Gesetzgebers.

    Vllt lesen ja hier ein paar Juristen mit die das aufklären können ...

  • "Wer einen Mercedes Diesel hat, kann Schadenersatz verlangen"



    Da die wenigsten Käufer sich Gedanken um das Thermofenster gemacht haben oder gar ihre Kaufentscheidung davon abhängig gemacht haben, gibt es keinen Schaden. Im Gegenteil, der Motor wurde besser geschützt.



    Den Schaden haben die Anwohner an Hauptstrassen und Fußgänger etc - aber die haben keinen Anspruch auf Schadenersatz!