EuGH-Entscheidung zu Abschiebehaft: Gefährder ins Gefängnis
Der EuGH billigt die deutsche Rechtslage: Abzuschiebende Gefährder dürfen besser gesichert werden als andere Abschiebehäftlinge.
Eigentlich sieht das EU-Recht vor, dass Abschiebehaft und Strafhaft strikt zu trennen sind. Nach der EU-Rückführungsrichtlinie von 2008 müssen Personen, die zur Sicherung der Abschiebung inhaftiert werden, in „speziellen Hafteinrichtungen“ untergebracht werden. Dort sollen sie bessere Bedingungen haben, zum Beispiel mehr Besuch empfangen können, denn in der Regel haben Abschiebehäftlinge ja keine Straftaten begannen. Den meisten fehlt lediglich das Aufenthaltsrecht für den betreffenden Staat.
Anderes gilt in Deutschland für Personen, die als Gefährder abgeschoben werden, insbesondere weil man ihnen einen Terroranschlag zutraut. Sie dürfen trotz der EU-Vorgabe bis zur Abschiebung in normalen Gefängnissen untergebracht werden, weil sie dort besser gesichert sind. Sie müssen laut Gesetz nur „getrennt von Strafgefangenen“ untergebracht werden.
Vor dem EuGH ging es jetzt konkret um den Fall eines Tunesiers, der 2017 aus Hessen abgeschoben werden sollte, weil er als „Gefährder“ eingestuft wurde. Laut Verfassungsschutz hatte er als „Schleuser und Rekrutierer“ für die islamistische Terrorgruppe IS agiert. Er war bis zur Abschiebung zwei Monate lang in einem normalen Gefängnis untergebracht. Dagegen klagte er bis zum Bundesgerichtshof (BGH), der den Fall dem EU-Gerichtshof zur Klärung vorlegte.
Der EuGH entschied nun, dass die Unterbringung von abzuschiebenden Gefährdern in normalen Gefängnissen ausnahmsweise möglich ist, wenn „eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr“ besteht, „die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder die innere oder äußere Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats berührt“. Das dürfte bei den sogenannten Gefährdern in der Regel angenommen werden.
Seit 2019 ist die Pflicht zur getrennten Unterbringung von Straf- und Abschiebehäftlingen in Deutschland ohnehin gesetzlich ausgesetzt, weil die rund 500 Abschiebehaftplätze angeblich nicht ausreichen. Ob diese bis 2022 geltende Aussetzung zulässig ist, ist noch nicht geklärt. Nach Informationen des niedersächsischen Flüchtlingsrat macht derzeit aber nur Sachsen-Anhalt in wenigen Einzelfällen von der Sonderregelung Gebrauch und bringt Abschiebehäftlinge in Strafgefängnissen unter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!