Etikettenschwindel bei Lebensmitteln: Von Insektenschoki und der FDP

Lebensmittel enthalten nicht unbedingt das, was ihr Name vermuten lässt, sagt unsere Kolumnistin. Etikettenschwindel gibt es aber auch anderswo.

Zwei Tafeln Schokoladen liegen ausgepackt auf Staniolpapier

Etikettenschwindel überall, nicht nur in der Schokolade Foto: Jiri Hubatka/picture alliance

Große Aufregung: Seit dieser Woche dürfen in der EU gefrorene oder verarbeitete Larven des Getreideschimmelkäfers als Lebensmittel verkauft werden. Und trotzdem sind bislang weder das Abend- noch ein anderes Land untergegangen angesichts der Perspektive von neuen Insekten-Bestandteilen im Supermarktregal. Puh, gerade noch mal Glück gehabt.

Aber da ist noch etwas. Es ist spürbar. Ein latentes Misstrauen. Auch wenn es aus Preisgründen extrem unwahrscheinlich ist, dass die Lebensmittelindustrie heimlich Insekten- statt dem geliebten Weizenmehl in Keks, Kuchen und Croissant verbackt – da schwingt in der Ablehnung dennoch diese Sorge mit, von den Lebensmittelherstellern behumst zu werden.

Für die Hersteller wird das überraschend kommen. Sind selbige doch seit jeher als Hort der Aufrichtigkeit bekannt. Wo nie, nie, nie geschummelt wird und der Produktname immer die Zutaten widerspiegelt. Wo die Größe der Verpackung stets in vernünftiger Relation zum Inhalt steht. Zu drei Vierteln gefüllte Frühstückscerealienkartons? Oder Neuauflagen, bei denen Verpackungsgröße und Preis identisch bleiben, aber bei der Gramm-Zahl auf magische Weise aus der 500 eine 400 geworden ist? Nein, nie gesehen.

Ein Produkt, in dem sich vor allem Zucker und Milchpulver befinden, wobei ersterer noch mit Glukosesirup und Traubenzucker abgerundet wird, heißt also bestimmt so etwas wie Zucker-Milch-Speise. Und keinesfalls Schokolade, als Referenz zu den rund 12 Prozent Kakao. Nun gut, wenn der tägliche Schokoladenbedarf zu decken ist, kann es daher sinnvoll sein, zu einem anderen Produkt zu greifen. Einem, das Haferflocken, Schokolade, Zucker und Mehl als erste Zutaten nennt. Was mag das sein: ein sehr keksiger Schokoriegel? Ein sehr schokoladiges Brötchen?

Etikettenschwindel: nicht nur bei Lebensmitteln

Fast, in diesem Fall geht es um Müsli. Und nein, der Rest der Zutaten klingt auch nicht mehr nach selbst gemixter Körnermischung als der Anfang. Aber schauen wir doch noch mal ins Dosenregal und angeln – eine Pfifferlingrahmsuppe. Wie viel Pfifferling da wohl drin ist – mehr oder weniger Prozent, als die FDP bei der Bundestagswahl geholt hat? Tja, leider weniger: 3,3 Prozent.

Dabei ist die Lebensmittelindustrie gar nicht so alleine mit ihrem Ansatz. Denn wenn man es sich überlegt: Wo ist eigentlich genau das drin, was draufsteht? Macht die Bundesregierung unter dem Etikett Klimapolitik wirklich Klimapolitik? Oder nicht eher Standortförderung?

Und was bei Amazon, Google und Co in der Datenschutzerklärung steht – das ist doch eher eine komplizierte Umschreibung dafür, wie die Daten der Nut­ze­r:in­nen möglichst wenig geschützt werden. Dass derweil das deutsche Onlinezugangsgesetz für ziemlich viel Aufwand sorgt, aber nicht gerade für einen besseren Zugang von Bür­ge­r:in­nen zu Behörden – geschenkt. Und von der Zahnärztin, die vor der Behandlung sagt, es würde nur mal ganz kurz unangenehm, sprechen wir besser nicht.

Bei Lebensmitteln gibt es mit dem Etikett immerhin eine Art Beipackzettel. Dort wird zwar nicht auf die Risiken und Nebenwirkungen von Sojalecithin, Palmöl oder während der Mast verabreichten Antibiotika hingewiesen. Aber zumindest lässt sich nachsehen, ob das Eis mit der großen Vanilleblüte auf der Verpackung tatsächlich Vanille enthält – oder ein Aroma aus dem Labor. Vielleicht sollten sich andere daran ein Beispiel nehmen. Das würde die Klima-Nicht-Politik oder den Daten-Nicht-Schutz zwar nicht weniger schlimm machen. Aber zumindest wäre die Produktenttäuschung kleiner.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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