Ethnische Spannungen: Strauss-Kahn-Affäre entzweit Guineer
Die US-Zweifel am mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer Nafissatou Diallo eröffnen Streit in ihrer Heimat Guinea: Ihre Peul-Ethnie ist in der Opposition.
BERLIN taz | Dominique Strauss-Kahn ist aus dem Hausarrest entlassen, sein mutmaßliches Vergewaltigungsopfer Nafissatou Diallo aus Guinea steht als Lügnerin da. Guineas Präsident Alpha Condé drückte die allgemeine Überraschtheit unter Guineern darüber am Wochenende am deutlichsten aus: Für Strauss-Kahn, seinen Genossen in der Sozialistischen Internationale, sei er "froh", sagte der Staatschef; für Nafissatou Diallo, seine Landsmännin, sei er "traurig".
In manchen afrikanischen Diskussionen wird jetzt die Feststellung laut, nun sehe man es mal wieder: Eine einfache Schwarze ziehe gegenüber einem mächtigen Weißen den Kürzeren. Makalé Traoré, Präsidentin des Verbandes guineischer Ministerinnen und Parlamentarierinnen, erklärt sich "enttäuscht und tief schockiert" über Strauss-Kahns Freilassung und sagte, sie fürchte nun eine Hexenjagd auf Diallo: Strauss-Kahn "ist nicht irgendwer".
Eine "Umkehr der Kräfteverhältnisse", konstatiert Fodé Mohamed Soumah, Präsident der guineischen Oppositionspartei "Génération Citoyenne", und betont: "Nafissatou hat ihre Angaben nicht verändert, und die Anklage ist nicht fallengelassen worden." Weiter heißt es: "Wir wissen, dass bei Asylanträgen oft gutgemeinte Lügen eingesetzt werden."
Einvernehmlich oder erzwungen?
Die New Yorker Staatsanwaltschaft hatte Strauss-Kahn aus dem Hausarrest entlassen, nachdem sie laut New York Times herausgefunden hatte, dass Nafissatou Diallo nach der mutmaßlichen Vergewaltigung mit einem inhaftierten Drogenhändler über mögliche finanzielle Vorteile aus der Affäre telefoniert haben soll. Ferner habe Diallo in ihrem - erfolgreichen - Asylantrag im Jahr 2004 andere Angaben zu ihrer Vergangenheit gemacht als jetzt gegenüber den Ermittlern.
Unklar bleibt, was all dies zur Klärung der Frage beiträgt, ob der von keiner Seite bestrittene Geschlechtsverkehr zwischen Diallo und Strauss-Kahn im Hotelzimmer am 14. Mai einvernehmlich oder erzwungen gewesen ist. Die Diskussion geht so weit, dass Diallos Anwalt droht, Fotos ihrer Geschlechtsorgane zu veröffentlichen.
Der Vorwurf der finanziellen Vorteilsnahme wiegt dennoch schwer. Der New York Times zufolge sagte Diallo am Telefon zu ihrem Gesprächspartner: "Mach dir keine Sorgen, der Typ hat viel Geld, ich weiß, was ich tue." Das allerdings beweist nicht, dass es Diallo um Geld ging, sondern höchstens, dass sie mit jemandem sprach, der in der Affäre Geld witterte.
Die guineische Internetzeitung Guinéenews identifiziert den Häftling als Mamadu Jallow aus Gambia, ein Kleinhändler in den USA und Diallos Verlobter. Seine Familie in Gambia habe bereits Diallos Familie in Guinea entsprechende Geschenke gemacht. Jallow habe die "Naivität" Diallos ausgenutzt, "um ihren Namen bei der Verwaltung von Bank- und Mobilfunkkonten einzusetzen". Er sitze in Arizona im Gefängnis, nachdem er mit 180 Kilo Rauschgift aufgegriffen wurde.
"Peul lügt immt"
Jallow und Diallo sind die englische und französische Umschreibung desselben Namens, einer der gebräuchlichsten der Peul-Ethnie, die in Teilen Westafrikas den Handel beherrscht.
So erhält die neue Diskussion über Diallos Glaubwürdigkeit eine ethnische Dimension. In Berichten aus der guineischen Diaspora in den USA verteidigen die einen Diallo mit dem Argument, Peul könnten nicht lügen, und andere kontern, Peul würden immer lügen und daher könne man Diallo sowieso nicht glauben. Die Gefahr ist nun, dass die Affäre Strauss-Kahn Guineas ethnische Spannungen anheizt.
Im November 2010, bei den ersten freien Wahlen in Guinea seit der Unabhängigkeit 1958, hatte Peul-Kandidat Cellou Dallein Diallo knapp gegen Alpha Condé von der Malinke-Ethnie verloren, obwohl im ersten Wahlgang Diallo weit vorn gelegen hatte. Es kam daraufhin zu blutigen ethnischen Unruhen. Oppositionschef Cellou Dallein Diallo kommt aus derselben Region Labé wie Nafissatou Diallo.
Bereits nach Strauss-Kahns Verhaftung im Mai behauptete die US-Frauenvertreterin von Condés Partei RPG (Sammlung des guineischen Volkes), Sano Doussou Condé: "Nafissatou wurde von ihrem Umfeld manipuliert." Diallos Verwandte sagten dazu, Alpha Condé habe in seinen Jahrzehnten des Exils und der politischen Verfolgung die Solidarität der französischen Sozialisten genossen, Strauss-Kahns politische Heimat.
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