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Etatdebatte im AbgeordnetenhausZweimal 36 Milliarden

Der Finanzsenator stellt den neuen Haushalt vor. CDU will mehr Vorsorge in Sachen Ukraine, FDP drängt, für Radwege geplantes Geld auch auszugeben.

Nicht nur über 72 Milliarden muss Finanzsenator Wesener (Bildmitte) mit Senatskollegen viel reden Foto: dpa

Berlin taz | Knapp eine Viertelstunde ist nicht viel für einen Finanzsenator, um den bisher größten Berliner Landeshaushalt im Parlament vorzustellen. Daniel Wesener, erst drei Monate im Amt, aber zu seinem Glück zuvor lange haushaltspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, bekommt das am Donnerstagnachmittag hin. Kein Klein-Klein, große Linien und dadurch sogar Zeit genug, Kernpunkte zum Ende noch mal zu wiederholen. Die oppositionellen Fraktionen von CDU und FDP bemängeln nicht übermäßig viel, loben sogar Einzelnes. Bloß von der AfD, die es zudem schafft, in eine Haushaltsrede die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber einzubauen, kommt Brachialkritik: Zu wenig Schuldentilgung, der Senat versuche zudem, alte Probleme durch neue Krisen zu kaschieren.

Jeweils rund 36 Milliarden Euro – das ist die Größenordnung mit den neun Nullen – umfasst die Planung für 2022 und 2023. Er gilt für zwei Jahre, weil das Berliner Landesparlament anders als etwa der Bundestag mit einem Doppelhaushalt arbeitet. Dass nicht schon Ende 2021 ein ursprünglicher Entwurf beschlossen wurde, der bereits im Sommer vorlag, liegt an der Neuwahl des Parlaments im vergangenen Herbst: Keine neue Regierung, auch wenn sie von denselben Parteien gestellt wird, übernimmt komplett einen alten Entwurf.

Die vier zentralen Punkte, mit denen Senator Wesener seine Rede umrahmt, sind der Umgang mit der Coronapandemie, die weiter eine große Belastung für den Haushalt darstelle, finanzielle Vorsorge, Investieren, aber auch Tilgen und der Blick auf einen ausgeglichenen Haushalt. Zudem will Wesener nach aus seiner Sicht unberechtigter Kritik klar vermitteln: „Wer glaubt, dass bei den Bezirken gespart werde, der irrt.“ Stattdessen stehe für sie rund eine halbe Milliarde zusätzlich bereit. Generell gelte: „Gespart wird in diesem Haushaltsentwurf sicher nicht.“

Dass darin trotzdem auch Schuldentilgung vorkommt, gefällt vor allem der FDP-Finanzexpertin Sibylle Meister. Investitionen dürfe man nicht nur ankündigen, man müsse das Geld auch ausgeben. Als Beispiel wählt sie eins, das bei der FDP sonst nicht im Fokus steht: „Es hilft dem Radverkehr ja nicht, wenn das Geld nur im Haushalt drinsteht.

parlament kompakt

Laut Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) werden nicht nur juristische Überlegungen darüber entscheiden, ob die Enteignung von rund 240.000 Berliner Wohnungen gemäß dem Volksentscheid vom September 2021 möglich ist. An erster Stelle stehe die Verfassungsmäßigkeit, „im Nachgang“ schaue man auch, ob es „wohnungswirtschaftlich sinnvoll ist“.

Mit Blick auf die Sorgen vieler wegen einer Erdgasverknappung sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (SPD): „Es besteht aktuell keine Einschränkung der Energieversorgung für Berlin.“ (sta)

Für ihren Oppositionskollegen Christian Goiny von der CDU mangelt es trotz der von Wesener propagierten Vorsorge gerade daran: Die Flucht aus der Ukraine sei nicht ausreichend im Haushalt abgebildet. Auch zu Katastrophen- und Zivilschutz finde sich nichts. Und die höheren Investitionen erklärt er wie folgt: Dass deren Summe ansteigt, liegt für ihn daran, dass das dafür vorgesehene Geld im letzten Haushalt nicht ausgegeben wurde. Neue Mehrausgaben würden oft nur Kostensteigerungen abdecken.

Goiny regt einen neuen Ansatz für die nun folgenden Haushaltsberatungen im Parlament an: Weniger kleinteilig, sondern mit Blick auf die großen Frage – warum Planungen nicht vorankommen, welche Strukturen sich ändern müssen. Reaktionen von Rednern der Koalition kommen dazu allerdings nicht.

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