piwik no script img

Esso-HäuserMarodes Ensemble

Neues Gutachten bestätigt schlechten Zustand der Gebäude am Spielbudenplatz. Wird nicht saniert, müssen die Mieter spätestens in einem Jahr raus

Könnte hinfällig werden: Transparent mit der Aufschrift "Kein Abriss" an einem Balkon der Esso-Häuser Bild: dpa

Die Esso-Häuser auf St. Pauli sind in kritischem Zustand. Zu dieser Einschätzung kommt das Architekturbüro Dittert und Reumschüssel in seinem Gutachten, das am gestrigen Donnerstag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Im Auftrag des Bezirksamts Mitte hatten die Architekten zwischen Januar und Mai 2013 an 70 Stellen tragende Betonbauteile des 50er-Jahre-Ensembles auf Schäden untersucht. In ihrer Expertise bemängeln sie nun unter anderem Risse in tragenden Elementen der Tiefgarage sowie einen hohen Feuchtigkeitsgehalt der Außenwände, der zunehmend den Stahlbeton angreift. Damit wird ein Abriss des Ensembles wahrscheinlicher.

„Der bauliche Zustand ist deutlich schlechter als befürchtet“, sagte Andy Grote (SPD), Bezirksamtsleiter in Mitte. Ein Abriss der Gebäude, verbunden mit einem Neubau auf dem Gelände, rückt durch das Gutachten näher. „Ein realistischer Spielraum für den Erhalt der Esso-Häuser ist kaum noch gegeben“, so Grote. Sollte der Eigentümer, die Bayerische Hausbau, nicht bald mit Sanierungsarbeiten beginnen, werde der Bezirk das Wohnen in den Häusern höchstens noch ein Jahr dulden.

In den Bereichen unter der Waschstraße der Tankstelle sind die Schäden besonders groß. Allein für die Sanierung der Tiefgarage rechnet der Bezirk mit Kosten von über 23.000.000 Euro. „Es ist unwahrscheinlich, dass der Eigentümer eine Sanierung als wirtschaftlich betrachtet“, sagte Grote. Als Sofortmaßnahme hat der Bezirk die Nutzung der Tiefgarage untersagt und fordert den Eigentümer zu Abstützungsmaßnahmen auf.

Das Esso-Ensemble

Die "Esso-Häuser" am Spielbudenplatz 5-13 wurden 1959 erbaut. 100 Wohneinheiten und Kiez-Clubs wie das Molotow und Planet Pauli, eine Tankstelle und ein Autohotel prägen das Ensemble.

Seit 2009 gehört es der Bayerische Hausbau GmbH. Sie plant einen Abriss und einen profitableren Neubau. Die "Initiative Esso-Häuser" fordert stattdessen Erhalt und Instandsetzung. Weil es auch auch an einem Runden Tisch zu keiner Einigung kam, gaben der Bezirk Hamburg-Mitte und die Behörde für Stadtentwicklung ein unabhängiges Gutachten in Auftrag.

Ein "Manifest" zum Erhalt der Häuser unterzeichneten dieser Tage mehr als 130 KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen

Das Gutachten bestätigt fehlende Instandhaltung über einen langen Zeitraum als eine der Ursachen für den schlechten Zustand des Objekts. „Die Gebäude sind von uns instand gehalten worden, jedoch nicht in dem Umfang, wie es hätte erfolgen müssen“, sagt Bernhard Taubenberger von der Bayerischen Hausbau. Allerdings habe es schon beim Kauf vor gut drei Jahren erhebliche Schäden gegeben.

Die BewohnerInnen fürchten, dass der Eigentümer nun für die mangelnde Instandhaltung noch dadurch belohnt werden könnte, dass der Abriss genehmigt werde. „Es ist vorhersehbar, dass die Bayerische Hausbau nun versuchen wird, anhand des Gutachtens einen Abriss unumgänglich scheinen zu lassen“, sagt Zlatko Bahtijarevic von der „Initiative Esso-Häuser“. Die Initiative hat sich immer wieder mit Aktionen für den Erhalt der Häuser eingesetzt. „Es gibt jedoch kein Gebäude, das nicht sanierbar ist“, so Bahtijarevic.

„Die Politik muss sich hier für die Menschen einsetzen, sonst bedient sie nur die Profitinteressen des Investors“, sagt Andi Schmidt, ebenfalls Mitglied der Initiative. Die Bezirkspolitik hat bereits angekündigt, im Falle eines Abrisses die Interessen der MieterInnen schützen zu wollen. „Der Investor soll den einstimmigen Beschluss der Bezirksversammlung aus Februar 2012 endlich umsetzen“, sagt Falko Droßmann, Fraktionsvorsitzender der SPD. Darin wird ein Rückkehrrecht der MieterInnen an den Spielbudenplatz sowie ein Anteil an Sozialwohnungen zumindest im Umfang der heutigen Wohnbebauung gefordert.

Für die BewohnerInnen geht es um mehr als nur günstige Mieten oder auch den Erhalt ihres Zuhauses: Erklärtermaßen steht für sie der Charakter des ganzen Stadtteils auf dem Spiel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • A
    A.Fetel

    23.000.000 Euro für die Sanierung einer Tiefgarage??? Was wollen sie da tun, sie vergolden??

  • D
    Detlev

    Das Gutachten klingt, wie bestellt!

     

    Und ich glaube diesem Andy Grote kein Wort, der spricht immer so und dann so. Am Ende wird der 'Investor' abreißen können und dann kommt die Sause. Und um die ging es die ganze Zeit. Tatsächlich könnte die Staat auch hier eingreifen, den Investor zwingen, sozialverträgliche Wohnungen anzubieten. Das geht sogar sehr einfach, weil in St. Pauli der Bestand an Sozialwohnungen kontinuierlich gesunken ist und es im öffentlichen Interesse wäre, diese Bestand wieder anzuheben und den Einwohnern des Stadtteils eine Möglichkeit zu geben, hier zu bleiben.