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Essen in der PolitikSchnitzel, Würstel und McDonald's

Der wohl bekannteste deutsche Food-Blogger kommt aus Bayern und ist eigentlich Ministerpräsident. Wie Markus Söder für sein Publikum isst.

Bayerisch aufgebrezelt. Markus Söder beim Volkstümeln Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Foodblog geht eigentlich ganz anders: Ästhetisch inszenierte, kunstvoll arrangierte Gerichte, gern gesehen mit Rezepten und Tipps zur Vorbereitung. Proteinreich, vegan, günstig, einfach oder schnell – die Social-Media-Nische gibt sich selbstoptimierend und pragmatisch.

Das Gegenbild stellt der bayerische Ministerpräsident dar. Markus Söder strahlt zu seinem übergroßen Schnitzel, postet einen randvollen Behälter seiner geliebten Nürnberger Bratwürste oder gibt neuerdings Tipps für ein besseres Burger-Erlebnis bei McDonald’s. Ganz stolz rundet Söder mit #söderisst sein stereotypisches Bild eines echten Bayern ab.

Wer denkt, die Essgewohnheiten eines selbstverliebten Freistaatlers interessiere niemanden, irrt sich: Beiträge zu Schäuferle, Wurst & Co. lösen teils mehr als das dreimal so viele Interaktionen aus wie seine sonstigen Instagram-Posts. Ein schlichtes Foto von Rostbratwürsten mit scharfem Senf vom vergangenen Samstag? Über 15.000 Likes. Der Biss in die Leberkassemmel? 34.000 Likes. Söders Ess-kapaden sind längst Popkultur.

Es existieren unzählige Memes mit dem essenden Ministerpräsidenten, viele folgen ihm auf Instagram nur, um dem Schauspiel beizuwohnen. Als Söder seine FollowerInnen zum gemeinsamen Döner-Essen einlud, meldeten über 40.000 Menschen Interesse an.

Heimatverbundener Gastropopulist

Mit seinem Foodblog inszeniert sich der Ministerpräsident als heimatverbunden, bodenständig und genussfreudig. Und alle schauen hin. Seine Masche des Gastropopulismus geht voll auf. Während andere PolitikerInnen die sozialen Medien noch mit ernsthaften Botschaften bespielen, serviert Söder Eskapismus in Form von Schweinshaxen und Weißwürsten.

Söder hat dabei vielleicht die subtilste und erfreulichste Form des Populismus für sich entdeckt. Substanzielle Inhalte bleiben bei ihm in den sozialen Medien dagegen oft auf der Strecke. Zwischen Gender-Verbot und Grünen-Bashing brennen sich die Bilder der letzten deftigen Mahlzeit in die Köpfe seiner FollowerInnen. Ziemlich simpel. Denn es ist schon skurril, wenn der CSU-Vorsitzende in einer sich aufreibenden Gesellschaft Zeit für ein Ranking über seine liebsten Fleischgerichte findet.

Wer dem inhaltlichen Diskurs ausweichen möchte, aber dennoch Politiker ist, muss sich etwas einfallen lassen. Söder inszeniert sich als unerschütterlicher Bewahrer der bayerischen Lebensart. Während andere an diesem konservativen Weltbild rütteln wollen, diskutiert Söder gar nicht erst, sondern isst. Und in einer Welt, in der Wahlentscheidungen immer emotionaler getroffen werden, ist ein Schnitzel für manch einen vielleicht mehr wert als ein ganzes Parteiprogramm.

Fabian Englmann und Dario Holz haben mit anderen Nach­wuchs­jour­na­lis­t:in­nen der taz Panter-Stiftung eine Sonderbeilage zur Bundestagswahl gestaltet. Hier können die Artikel der Beilage online gelesen werden.

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10 Kommentare

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  • ...und was lernen wir daraus?



    Söder hat eine große Klappe!

  • Nicht für manch einen ist ein Schnitzel ein Wahlprogramm, sondern es ist es für den Söder und seinem ihm in Sachen inhaltlicher Leere in nichts nachstehenden Adjutanten Dobrindt... die politische Antwort auf das Trolldasein...

  • Das ist natürlich eine tolle Arbeit, die Herr Söder da an der Food-Blogger-Front leistet. Was wäre Deutschland ohne ihn (Spoiler: besser dran). Aber warum muss man diesen erfolgreichen Food-Blogger eigentlich mit irrsinnig hohem Gehalt aus Steuergeldern alimentieren? Kann das vielleicht in einem Folgeartikel erklärt werden? Danke!

  • Der Politeberhofer eben, nur nicht so lustig. Auch beim gemütlichen Polizisten geht’s um Bier und Essen, gerne viel zu viel und und gerne ungesund.



    In der heutigen Zeit, in der man, auf der rationalen Ebene völlig zurecht, ständig gesagt kriegt was schlecht für einen ist, also fettes Essen, Alkohol, Rauchen usw. ist es die Auszeit vom Optimierungsstress, die bewusste genussgetrieben Selbstschädigung. Wenn das jemand dann auch noch inszeniert wie die Kunstfigur Eberhofer oder der Spitzenpolitiker Söder (der ja im Prinzip auch eine Kunstfigur ist) finden das die Leute super, in den sozialen Medien sowieso.

  • Wie ist das juristisch:



    Darf ein vom Volk gewählter und bezahlter Politiker für eine Industrie-Branche so stark lobbyieren?



    Er hat ja immerhin auch Firmen in seinem Bundesland die vegane oder vegetarische Produkte anbieten, die durch seine Fleisch-Werbung beanchteiligt werden.

  • Na und, wenn es ihm schmeckt.

  • Wenn wir den Söder hier so preißen,



    Muss es auch Ess-Kapismus heißen.

  • Ja wenn er auch Tierleichen isst und Alkohol liebt, ist das ja einer von "uns". Ein super Typ! Wähle ich! Gott sei Dank für Demokratie.

  • Was will uns der Autor damit sagen?



    Offensichtlich scheint es ihn zu belustigen, dass Söder sich für traditionelle Küche begeistern kann und tut.



    Ja, er will damit Volksnähe demonstrieren, aber was soll daran falsch sein?



    Würde er das auch einem italienischen, spanischen oder französischem Politiker vorhalten?