Essay über Dick Pics: Symbolisch flexible Pimmel
Der Penis als Bildmotiv. Die Publizistin Sarah Koldehoff untersucht in einem lehrreichen Essay das Phänomen des Dick Pics.

Er ziert Klowände und so ziemlich jede Frau hatte schon mal sein Foto in ihrem Postfach: Der Penis, ob erigiert oder hängend, ob mit Botschaft oder ohne, ob gewollt oder unverlangt eingesandt, ist eins der meistverbreiteten Bildmotive der Welt. Die Psychologin und Publizistin Sarah Koldehoff hat sich dem Dick Pic (Schwanzbild) als bildästhetisches und kulturanthropologisches Phänomen gewidmet. Ihr in der Reihe „Digitale Bildkulturen“ erschienenes Essay spart nicht mit explizitem Anschauungsmaterial, von der römischen Wandkritzelei mit schmähender Absicht bis zu Robert Mapplethorpes ikonischem „Cock“.
Bei der Lektüre des etwas akademisch-spröde formulierten Textes lernt man einiges: Die bildliche Darstellung des Penis ist symbolisch flexibel – kann also wahlweise als witzig, beleidigend, sexuell stimulierend oder bedrohlich wahrgenommen werden. Die Deutungsoffenheit kommt dem Versender des Bilds zugute, kann er doch hinterher behaupten, es sei nur ein Scherz, ein missglückter Flirtversuch oder ein Missverständnis gewesen.
Die Darstellung der Vulva oder Vagina hingegen ist immer eine ernste Sache. Werden „PussyPics“ in erotischer Absicht versendet, dann oft auf Verlangen des (meist männlichen) Empfängers, ansonsten ist die Message eher feministisch-empowernder Art, wie in Laura Dodsworths Fotoprojekt „Womanhood“, das 100 Vulven zeigt.
Sarah Koldehoff: „Dick Pics“. Digitale Bildkulturen. Wagenbach, Berlin 2025, 80 Seiten,
9,99 Euro
Das Dick Pic als Ausdruck patriarchaler Machtverhältnisse
Ein Massenphänomen ist die Vulvadarstellung nicht, die des Penis dafür umso mehr: In Blogs wie „Critique My Dick Pic“ wird das Penisbild einer ästhetischen Kritik unterzogen, der Instagramaccount Cocksinthecity archiviert Sichtungen im öffentlichen Raum.
Solche ironisch-spielerischen Zugänge können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, wie Koldehoff hervorhebt, dass das Dick Pic vor allem eines ist: ein Ausdruck patriarchaler Machtverhältnisse und mehrheitlich eine Zumutung für die Empfänger:innen der Bilder. Besonders für die digitale Sphäre gilt, was Koldehoff klar benennt: „sexualisierte Gewalt durch Bilder als Methode, die eigene verloren geglaubte männliche Dominanz wiederherzustellen“.
Die Autorin warnt davor, Dick Pics zu verharmlosen – es handele sich oft um misogyne Drohgebärden – oder den Umgang damit auf die (meist weiblich gelesene) Empfängerin abzuwälzen. Sie fordert „einen Bedeutungswandel des Penis“, eine „Veränderung in der Art, wie wir über Sexualität und Geschlechtsteile sprechen“.
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