Eskalation im Südkaukasus: Ruhe nach russischer Intervention
Zwischen Armenien und Aserbaidschan ist es zu den schwersten Kämpfen seit einem Jahr gekommen. Nun schweigen die Waffen wieder – vorerst.
Am Dienstag waren die Kämpfe eskaliert. Dabei sollen beide Seiten Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge und Schusswaffen verschiedener Kaliber eingesetzt haben. Nach armenischen Angaben sollen auf armenischer Seite ein Soldat getötet, 13 Soldaten gefangen genommen und mehrere Personen verletzt worden sein. 24 Soldaten würden noch vermisst.
Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium teilte am Mittwoch mit, dass sieben seiner Soldaten getötet und zehn weitere verletzt wurden. Es waren die schwersten militärischen Auseinandersetzungen, seit Armenien und Aserbaidschan ihren Krieg um die von Armenier*innen bewohnte Region Bergkarabach am 10. November 2020 für beendet erklärt hatten.
Laut der Vereinbarung vom 10. November 2020, deren Umsetzung 2.000 russische Friedenstruppen absichern sollen, verliert Armenien die Kontrolle über alle sieben Regionen, die Bergkarabach umgeben. Davon ausgenommen ist der „Laschinkorridor“ auf einer Breite von fünf Kilometern, der Armenien mit Bergkarabach verbindet. Auch die Stadt Schuschi (Aserbaidschanisch: Schuscha) und einige weitere Landstriche in Bergkarabach fallen an Aserbaidschan. Der Status von Bergkarabach ist nach wie vor nicht definiert.
Bereits im vergangenen Mai hatte Armenien den Vorwurf erhoben, dass aserbaidschanische Truppen die Staatsgrenze zu Armenien in der südlichen Provinz Sjunik überschritten hätten und 3,5 Kilometer auf armenisches Gebiet vorgerückt seien.
Aufruf zu „maximaler Panik“
Am Dienstag bestätigte Jerewan, dass Aserbaidschan zwei armenische Stützpunkte erobert hat. In einer Presseerklärung des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums hieß es, armenische Soldaten hätten ihre Positionen in Angst und Panik verlassen.
Auch unter der Bevölkerung im Süden Armeniens herrscht Panik. Vergangene Woche hatte die aserbaidschanische Seite mehrere Zollkontrollpunkte an der Hauptstraße Goris-Kapan in der Provinz Sjunik, im Südosten Armeniens, eingerichtet. Durch die Sperrung dieser Straße sind mehrere armenische Dörfer abgeschnitten. Derzeit baut die armenische Regierung alternative Straßen, um einen Zugang zu diesen Dörfern sicherzustellen.
„Die Bewohner*innen von mindestens sechs armenischen Dörfern haben große humanitäre Probleme, weil sie total abgeschottet sind“, sagte der armenische Menschenrechtler Armen Tatoyan gegenüber der taz, „die aserbaidschanischen Streitkräfte bedrohen das Recht auf Leben und die Sicherheit der Bevölkerung.“
Doch nicht nur an Armeniens südlicher Grenze droht Ungemach. Jerewan muss eine Landverbindung zwischen den westlichen Regionen Aserbaidschans und der aserbaidschanisch besiedelten autonomen Region Nachitschewan sicherstellen, zu der Aserbaidschan bisher keinen direkten Zugang hat. Dadurch würde auch die Türkei, die Aserbaidschan im Krieg um Bergkarabach militärisch unterstützt hatte, einen direkten Zugang zu seinem Verbündeten Aserbaidschan und zum Kaspischen Meer bekommen.
Die Eröffnung dieser Kommunikationswege will Baku auf seine Art und Weise lösen. Seit Dienstag fordert ein aserbaidschanischer Telegram-Kanal dazu auf, nach einem Zufallsprinzip armenische Telefonnummern anzurufen oder Armenier*innen Sprachnachrichten zu senden, in denen sie aufgefordert werden, die Region Sjunik zu verlassen. „Lasst uns eine telefonische Terroraktion gegen die Armenier*innen starten“, heißt es einer Erklärung des Kanals. „Wir verbreiten maximale Panik.“
Dieser Text wurde aktualisiert um 12.05 Uhr.
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