: „Es kommt gut an, dass ich es lockerer nehme“
Rudern Vor der am Sonntag beginnenden WM in Florida erklärt Einer-Starter und Debütant Tim Ole Naske warum er trotz seiner geringen Körpergröße der Beste im deutschen Team ist und warum er auch ohne Titel bereits ganz gut von seinem Sport leben kann
Interview Susanne Rohlfing
taz: Herr Naske, Sie sind 1,83 groß und 21 Jahre alt. Also eigentlich zu klein und zu jung für einen Einer-Starter bei einer Ruder-WM. Oder?
Tim Ole Naske: Jein. Es gibt da international gerade einen großen Alterswechsel. Es gibt im Moment viele Einer-Fahrer, die etwas jünger sind als eigentlich üblich. Der Däne ist jung, der Pole nur ein Jahr älter als ich, deshalb kann ich mich da gerade ganz gut durchfuchsen. Mit der Körpergröße: Ja, ich bin schon deutlich kleiner als alle anderen. Aber irgendwie kompensiere ich das ganz gut.
1,83 Meter ist ja im normalen Leben gar nicht so klein.
Aber hier bin ich unter den Jungs klar der Kleinste und noch nicht mal bei den Frauen wirklich groß. Mein Schlag ist dadurch etwas kürzer als bei den anderen, aber ich kann mich auch deutlich besser bewegen. Weil ich weniger Masse mitbringe und mich weniger hin und her bewegen muss im Boot.
Es heißt, Sie würden auf dem Ruderergometer immer klar von allen geschlagen, seien dann auf dem Wasser aber schneller als alle.
Hach. Die Ergometer-Norm für die A-Nationalmannschaft mit unter sechs Minuten auf 2.000 Metern schaffe ich auch. Natürlich muss ich mich auch da in den nächsten Jahren noch entwickeln, aber das geht eigentlich inzwischen.
Aber wie gleichen Sie Ihre Nachteile an Körpergröße und Muskelmasse aus?
Zum einen bin ich ein sehr guter Wettkampftyp. Wenn es wichtig ist, bin ich auf den Punkt komplett da, was den Kopf betrifft. Zum anderen kann ich technisch viel umsetzten und meinen Schlag variabel gestalten. Ich komme mit verschiedenen Bedingungen gut klar. Wenn man in der Weltspitze mitmischen will, muss man ein sehr gutes Rudergefühl haben. Was technische Abläufe des Körpers betrifft. Aber man muss auch verstehen, was das Boot gerade will, wie es gerudert werden will. Man kann dem Boot nicht einfach etwas aufdrücken. Deshalb sind Leute, die auf dem Ergometer schnell sind, nicht unbedingt auch auf dem Wasser so schnell.
Und wie teilt einem das Boot mit, wie es gerade gerudert werden will?
Das ist eine Sache des Gefühls. Man muss merken, ob man sich im Schlag aufhängt, oder ob man gut durchrutscht.
Was bedeutet „aufhängen“?
Dass man zu viel Kraft an einem Punkt rein bringt, an dem das Boot das noch gar nicht verkraftet, an dem es das noch gar nicht in Geschwindigkeit umsetzt.
Kann man das erlernen?
Ich konnte das schon immer relativ gut. Einfach, weil ich drauf angewiesen war, weil ich nicht so viel Kraft habe und mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, immer gut umgehen musste. So etwas zu lernen, ist glaube ich sehr schwer.
Schon im vergangenen Jahr sind Sie in Deutschland im Einer schneller gerudert als alle anderen, trotzdem durften Sie nicht mit zu Olympia.
Das Problem war, dass ein Großteil der Mannschaft sich schon im Jahr davor bei der WM sehr gut präsentiert hat. Aus den etablierten Booten sind einige dann nicht so gut gerudert, aber die Trainer haben trotzdem diesen Leuten vertraut. So sind andere, die von der individuellen Leistung her besser waren, auf der Strecke geblieben.
Der Vierer hat Gold gewonnen, da ist nichts zu sagen. Der Zweier ist Achter geworden. Hätten Sie es besser machen können?
21, ist Jurastudent und Ruderprofi. 2016 wurde er U23-Weltmeister im Einer, 2015 bereits U23-Weltmeister im Doppelzweier. Bei der WM in Sarasota in Florida (USA) tritt er zum ersten Mal für das deutsche Erwachsenenteam an.
Das zu behaupten, wäre gewagt. Vor allem, wenn man sich ansieht, welche Ruderer den Zweier gefahren sind. Mit Marcel Hacker und Stephan Krüger waren das zu dem Zeitpunkt die Besten. Was ich vielleicht hätte besser machen können, wäre den Einer zu qualifizieren. Philipp Syring war bei der Qualifikation in Luzern nicht schnell genug. Ich war auf der deutschen Kleinboot-Meisterschaft im Halbfinale noch schneller gewesen als Philipp, musste das Finale aber verletzungsbedingt absagen. Philipp ist im Finale ein sehr gutes Rennen gefahren, damit war für die Trainer klar, dass sie auf ihn setzen.
Haben Sie die Enttäuschung inzwischen verarbeitet?
Ja, absolut. Auch von meinen Sponsoren habe ich immer nur gehört: Wenn ich Rio schaffe, wäre das super, aber wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Mein Augenmerk liegt langfristig auf Tokio 2020. Und mit dem Sieg bei der U23-WM hatte ich 2016 dann ja auch noch einen guten Ausgleich.
Sie konnten ein Stipendium für ein Studium in Amerika nicht annehmen, weil Sie als Profi eingestuft wurden und somit nicht in der amerikanischen College-Liga mitrudern dürfen. Obwohl Sie noch keinen Titel bei den Erwachsenen gewonnen haben, verdienen Sie Geld mit Rudern.
RedBull unterstützt mich gut. Dass ich die Sachen etwas lockerer nehme, ist wohl gut angekommen.
Was haben Sie sich vorgenommen für die WM in Florida?
Das Minimalziel ist Top Ten. Aber eigentlich will ich unter die besten sechs.
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