Es knallt beim RBB: Wer die Suppe auslöffelt
Der RBB kommt aus den Skandalen nicht heraus. Nun folgt auch noch ein massives Sparprogramm. Was denkt die Belegschaft darüber?
Vergangene Woche kam der Knall: Am Mittwoch verkündete RBB-Intendantin Katrin Vernau, dass der skandalumwitterte Sender 49 Millionen Euro einsparen soll. 100 Stellen werden bis 2025 gestrichen, mehrere Sendungen fallen den Kürzungen zum Opfer, das Programm soll sich auf die Zeit von 18 bis 22 Uhr konzentrieren und das „Mittagsmagazin“ soll nicht mehr vom RBB in Berlin produziert, sondern von ARD und ZDF weitergeführt werden. Auch zwei der vier Direktionen werden gestrichen. Die Sparrunde sei aufgrund der Misswirtschaft der vergangenen Jahre unter der gekündigten Intendantin Patricia Schlesinger nötig geworden.
Wer sich im RBB unter der Belegschaft umhört, trifft auf Verunsicherung und Wut. Die taz hat mit Vertreter:innen des Personalrats und der Freien gesprochen sowie mit zehn Mitarbeiter:innen, sowohl fest angestellten als auch freien, in den Standorten Berlin, Frankfurt (Oder) und Cottbus. Die meisten ziehen es vor, ihre Namen nicht in der Zeitung zu lesen. Insbesondere die freien und die jüngeren Kolleg:innen fürchten um ihre Jobs.
Wenn man Anonymität zusichert, dann teilen sie ordentlich aus: „Das alles kotzt mich so an“, sagt ein Freier. Ein anderer findet, „die Stimmung ist am Arsch.“ Immer wieder wird gesagt: „Wir müssen die Suppe auslöffeln, die andere uns eingebrockt haben.“ Eine freie Mitarbeiterin beim Radio sagt: „Wir können für die Misere nichts, aber gespart wird auf unserem Rücken.“
Das sieht auch Sabine Jauer so. Die Vorsitzende des Personalrats ist ruhiger als die anderen Gesprächspartner:innen, aber auch sie findet: „Wir müssen ausbaden, was in den vergangenen Jahren falsch gemacht worden ist.“ Und nun wehren sich die gekündigten Geschäftsleitungsmitglieder auch noch juristisch gegen ihre Entlassung und Patricia Schlesinger will ihr Ruhegeld von 18.000 Euro monatlich einklagen.
Alle Vermögenswerte liquidieren
„Am schlimmsten sind diese Ruhegelder“, sagt Jauer. Aber sie sieht auch Gutes im nun angestoßenen Prozess: „Besser einen harten Schnitt als Scheibchenweise neue Hiobsbotschaften.“ Jauer hat auch konkrete Vorschläge, wo gespart werden könnte: „Vernau will die Zahl der außertariflich Bezahlten halbieren. Wir finden, die können ganz abgeschafft werden.“ Lutz Oehmichen, der auch im Personalrat sitzt, weist auf die Immobiliengeschäfte hin. Die sollen zwar reduziert werden, aber: „Bevor hier jemand entlassen wird oder Honorare gekürzt werden, müssen wir alle anderen Vermögenswerte liquidieren.“
Was in den Gesprächen auffällt, ist die ausgeprägte Berufsehre. Alle wollen ein gutes Programm machen. „Uns Redakteuren macht die Arbeit Spaß. Solange wir unsere Sendungen machen konnten, hat mich der Rest nicht interessiert“, sagt Sabine Jauer. „Was in den Ebenen über uns passierte, damit hatte man gar nichts zu tun.“
Genau das war wohl das Problem. Über die Jahre haben sich im RBB viele Führungsebenen gebildet, die von der eigentlichen Produktion abgekoppelt waren. Techniker berichten, sie hätten bis zu fünf Stufen über sich, sie wüssten nicht mal, was die alle tun. Dieser administrative Wasserkopf ist es, der so viel Geld frisst. Und der sei noch nicht richtig angegangen worden, bemängeln einige.
Der bisherigen Geschäftsleitung hat Katrin Vernau zwar gekündigt, ein Schritt, der in der Belegschaft auf große Zustimmung trifft. Aber die zweite Reihe, die das System Schlesinger ermöglicht hat, ist noch da. „Eine Reihe von Führungskräften sind dabei gewesen, den Plan Schlesingers willig zu erfüllen“, sagt Lutz Oehmichen. „Die gleichen Akteure sitzen wieder im Boot und rudern in die entgegengesetzte Richtung.“
Viele berichten von Erschöpfung, die die ständigen Skandalmeldungen und Aufarbeitungstreffen auslösen. „Ich war entsetzt“, sagt eine freie Mitarbeiterin. „Und es wurde mit jeder Enthüllung schlimmer.“ Auch Sabine Jauer sagt, sie sei seit vergangenem Sommer „in Dauerschleife“. Man müsse endlich aus dem Krisenmodus kommen, auf Dauer könne man so nicht arbeiten.
„Wir haben gar nicht mehr die Power und das Geld, spannende Geschichten zu machen“, sagt ein freier Mitarbeiter in Cottbus. Und nun gefährdeten die Sparprogramme auch noch die Grundversorgung. Bei manchen macht sich auch ein gewisser Zynismus bemerkbar. Darauf angesprochen, dass Schlesinger nun ihre Ruhegeldzahlung einklagen will, sagt ein Redakteur bloß: „Mehr hab ich von der gar nicht erwartet.“
In ruhigeres Fahrwasser?
Die meisten Gesprächspartner:innen schätzen hingegen Vernau. Ihr wird große Kompetenz in der Verwaltung zugeschrieben. Sie sei ein Zahlenmensch, was in dieser Situation das Richtige sei. Mit Vernau, so die Hoffnung, komme man in ruhigeres Fahrwasser. Lutz Oehmichen findet, Katrin Vernau sei vielleicht nicht die Geschickteste, wenn es um Kommunikation geht, aber: „Sie scheint keine schlechten Absichten zu haben. Zu Schlesinger ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht.“
Andere bemängeln, dass Vernau nicht aus dem Programm komme. Ein freier Mitarbeiter sagt: „Mir fehlt eine Vision wo sie publizistisch hin will.“
Christoph Reinhardt von der Freienvertretung ist da kritischer. Es würde die Stimmung verbessern, wenn Vernau bestätigen könnte, dass es keine betriebsbedingte Beendigung von freien Arbeitsverhältnissen geben wird, was sie bisher nicht getan hat. „Da war so ein Satz wie: „Freie sind eben Freie.“ Die Frage der Freien ist zentral. Laut Reinhardt ist nur jede:r dritte Journalist:in im RBB fest angestellt.
Die meisten Kürzungen werden im Programmetat erwartet – aus dem die Honorare der Freien bezahlt werden. „Wir fühlen uns als Schiebemasse“, sagt eine freie Redakteurin. Ohnehin ist auffällig, wie viele Menschen beim RBB nicht fest angestellt werden. Freie arbeiten manchmal jahrzehntelang Vollzeit für den RBB. Aber feste Stellen gibt es selten. Lutz Oehmichen mahnt: „Da hat sich ein Schattenarbeitsmarkt etabliert.“
Nun könnten die Sparmaßnahmen vor allem die Freien treffen. „Dabei gibt es ohne uns kein Programm“, empört sich die freie Radioredakteurin. Sabine Jauer mahnt, dass sich die Belegschaft nicht in Feste und Freie spalten lassen dürfe. Alle müssen am selben Strang ziehen.
Eine andere Spaltung nimmt der Nachwuchs wahr. Gerade jüngere Zielgruppen sollen mehr erreicht werden, ließ der RBB wissen, als die Sparmaßnahmen angekündigt wurden. Spricht man hingegen mit jüngeren Kolleg:innen, wird klar, dass sich um diejenigen, die dieses Programm produzieren sollen, wenig gekümmert wird. Dass etwa ausgerechnet das „Mittagsmagazin“ nicht mehr in Berlin produziert werden soll, stößt auf Unverständnis.
Offener Brief des „Mittagsmagazins“
In einem offenen Brief protestieren 23 Mitarbeiter:innen des „Mittagsmagazins“ gegen die geplante Streichung des Formats unter anderem mit der Begründung, dass die Redaktion eine der jüngsten und diversesten im Haus sei. „Wenn sich der RBB das Mima „nicht mehr leisten kann“, heißt es in dem Schreiben, „dann verabschiedet er sich von vielen journalistischen und kreativen Köpfen, die Qualifizierungen mitbringen, die der Sender gerade dringend braucht.“
Auch andere junge Mitarbeiter:innen fühlen sich stark benachteiligt. „Die Boomer kriegen mehr Ruhegeld, als wir überhaupt Rente bekommen werden“, empört sich eine junge Redakteurin. „Es ist aussichtslos für junge Leute da“, sagt eine Freie, die gar nicht mehr für den RBB arbeiten will. Nun sollen auch noch die Volontariate, die gemeinsam mit der ems Medienschule angeboten werden, zur Hälfte wegfallen. Woher soll denn der Nachwuchs dann noch kommen?
„Dass sie an den Volos sparen, ist doch nur lächerlich“, findet eine Gesprächspartner:in. Das sende ein falsches Signal. „Als junger Mensch fühlt man sich nicht ernst genommen. Da kämpft man für ein kleines Digitalformat und die anderen gehen für Tausende Euro auf Firmenkosten essen“, sagt eine andere.
Doch ganz verzagt sind die Gesprächspartner:innen noch nicht. Lutz Oehmichen sagt: „Ich hoffe, dass die Zeit der falschen Goldgräber und Quatschköpfe vorbei ist.“ Und Sabine Jauer sagt sogar: „Wir sind zwar nicht guter Dinge, aber auch nicht ohne Zuversicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge