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Erstes Urteil im Lügde-ProzessEine zentrale Figur

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Das Urteil gegen einen Mittäter im Fall Lügde ist zu milde. Denn es ist die hohe Nachfrage nach Kinderpornografie, die das Geschäft erst ankurbelt.

Heiko V. soll an mindestens vier Liveübertragungen von Kindesmisshandlungen teilgenommen haben Foto: dpa

H eiko V. hat den Ort des Missbrauchs nie betreten – und doch hat der 49-Jährige aus Nordrhein-Westfalen sexuelle Gewalt an Kindern begangen: Er soll laut Gericht mindestens vier Mal live per Webcam-Übertragung beim Missbrauch von Kindern auf dem Campingplatz in Lügde zugesehen haben. Mehr noch: Er erteilte Handlungsanweisungen und masturbierte vor den Augen des Kindes.

Zudem besaß V., den das Gericht nicht als pädosexuell einstuft, mehrere zehntausend Fotos und Videos, die den Missbrauch von Kindern zeigen. Dafür wurde der Mann nun zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Das ist ganz schön wenig – denn die Heiko V.s dieser Welt sind die zentralen Figuren im Boombusiness Kinderpornografie.

Seit Jahren explodiert die Zahl der Missbrauchsabbildungen im Netz: Allein für Deutschland weist die polizeiliche Kriminalitätsstatistik von 2017 6.500 Fälle von Missbrauchsabbildungen aus – das ist ein Anstieg zum Vorjahr um 14,5 Prozent. Diese irren Wachstumszahlen sind möglich, weil es mittlerweile für jedermann technisch möglich und bezahlbar ist, riesige Datenmengen zu horten. Vor allem aber: Die Nachfrage ist da.

Es sind Männer wie Heiko V., die im Netz nach Missbrauchsabbildungen suchen, gezielt nach bestimmtem Material fragen, sogar explizite Bestellungen aufgeben – und dadurch die Nachfrage ankurbeln. Wo bestellt wird, wird auch geliefert.

Besonders hart wirkt das Urteil nicht gerade

Es sind, wie der Prozess gegen Heiko V. einmal mehr zeigt, eben nicht bloß ein paar hundert kranke Kernpädophile, die für die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Netz verantwortlich sind. Sondern Millionen „ganz normaler“ Porno-Konsumenten, die das Geschäft befeuern. Nicht weil sie sich durch ihre sexuelle Fixierung zwanghaft mit Abbildungen von Kindern befriedigen müssen – sondern weil sie es können.

Kinderpornografie ist ein Kontrolldelikt: Je mehr die Strafverfolgungsbehörden suchen, desto mehr finden sie auch. Doch Polizei und Justiz fehlen Kapazitäten und Befugnisse, um diesen Kampf zu gewinnen.

Vor einem Jahr, nach dem monströsen Fall im badischen Staufen, wo eine Mutter und ihr Lebensgefährte den Sohn zur Vergewaltigung im Internet angeboten hatten, war das Entsetzen über die nahezu ungestört blühende digitale Schattenindustrie groß. Der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs forderte Justiz-und Innenminister auf, ihre Instrumente im Kampf gegen Sexualtäter im Netz zu schärfen.

Besonders scharf, im Sinne einer Abschreckung für andere mittelbare Täter, wirkt das jetzige Urteil nicht gerade. Heiko V. hat sich im Gerichtsaal geständig gezeigt und sich bei seinem Opfer entschuldigt, er muss jetzt als Auflage eine Therapie machen. Immerhin.

Doch das Kind, das er live im Netz missbraucht hat, wird damit leben müssen, dass Aufzeichnungen seiner sexuellen Demütigung lebenslang im Netz kursieren. Und bald vom nächsten Mann mit „auffälliger, aber nicht krankhafter Sexualität“ angesehen werden.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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3 Kommentare

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  • Ich bin eigentlich sonst niemand, der nach härteren Strafen schreit, aber DAFÜR eine Bewährungsstrafe ist schon geradezu pervers. Wer sowas macht, und schon 10000 Kinderporno-Bilder und Videos hat, der macht das doch nicht spontan oder aus Versehen.

    Wahrscheinlich atmen alle Kinderliebhaber in Deutschland gerade auf: Kann man ruhig machen, wenn man erwischt wird, muss man sich halt entschuldigen und versprechen, sowas erstmal nicht wieder zu tun, mehr passiert einem nicht.

    Und gerichtlich bestätigt nicht pädophil ist der Kerl auch noch? Soso.

    Komisches Urteil, passt aber zu den ganzen anderen Seltsamkeiten in diesem Fall. Ich frage mich immer wieder, wer auf den spurlos verschwundenen 150 Datenträgern außer den Kindern wohl alles zu sehen sein mag.

  • Schon bei den Ermittlungen ging ja wohl schief was überhaupt schief gehen kann, von nicht weitergegebenen Informationen bis hin zu verschwundenen Beweismitteln. Und jetzt der nächste " SKANDAL "



    Eben : Nachrichten ( ZDF Heute )



    Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt ! Könnte ein Hoffnungsschimmer auf Gerechtigkeit sein.

  • 0G
    06831 (Profil gelöscht)

    Es fehlen mir die Worte angesichts eines solchen Urteils.



    Das ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer.