Erster Trans*-Mensch im Parlament: Aus dem Schatten treten
Markus Ganserer lebt zwischen den Geschlechtern und will sich für keines entscheiden. Außerdem sitzt Ganserer für die Grünen im bayerischen Landtag.
Eigentlich bevorzugt Ganserer die Bezeichnung trans-ident, doch der besseren Verständlichkeit halber nennt auch er sich transgender. Oder einfach nur trans* – was sich praktischerweise auch noch auf Gans reimt. Wortspiele mit dem eigenen Namen gefallen Ganserer nämlich, sein Slogan lautet „Gans Grün“, die Gans hat er sich auch zum persönlichen Maskottchen erkoren, er verwendet ein eigenes Logo, auf dem der Vogel an der Sonnenblume der Grünen vorbeifliegt.
„Ich will leben, wie ich leben will, denn ich will ich sein, anders kann ich nicht sein. Hier bin ich, ich bin trans*, ich kann nicht anders“, schrieb Ganserer auf Twitter, als er den Artikel über sein Coming-out teilte – dazu noch der Hashtag #ZukunftWirdAusMutGemacht. Er wechsle zwischen den zwei Geschlechtern, erklärte Ganserer der Süddeutschen. Entscheiden wolle er sich für keines.
Künftig wolle er sein weibliches Ich häufiger ausleben – nicht nur alle zwei Wochen beim Spaziergang durch Nürnberg oder daheim hinter verschlossenen Türen. Auf der politischen Bühne will Ganserer Mann bleiben, sich aber stärker für die Rechte von Transgender-Menschen einsetzen.
Kein leichtes Coming-out
Der 41-jährige Forstwirt ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bei den Landtagswahlen im Oktober hat er das Direktmandat nur knapp verfehlt. In seinem Stimmkreis Nürnberg-Nord bekam Ganserer 25,9 Prozent der Erststimmen. Aufgewachsen ist er im Bayerischen Wald. Seit 1998 ist er bei den Grünen, seit 2013 sitzt er als Abgeordneter im Bayerischen Landtag. Seinen Arbeitsplatz hatte er jedoch schon zuvor hier; er war Mitarbeiter des grünen Urgesteins Christian Magerl, und in dieser Funktion Nachfolger von Toni Hofreiter, dem Fraktionschef im Bundestag. In der abgelaufenen Legislatur war Ganserer verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion, saß im Verkehrsausschuss. Zu seinen Schwerpunktthemen zählt der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
Leicht sei ihm das Coming-out nicht gefallen, gibt Ganserer zu. „Mir graut vor dummen Kommentaren. Die Erleichterung, endlich offen leben zu können, ist aber größer.“ Dass er trans* sei, habe er selbst erst vor zehn Jahren entdeckt. Seine Frau habe ihn jetzt ermutigt, aus dem Schattendasein herauszutreten.
Jeder kenne einen Transgender-Menschen, glaubt Ganserer, die meisten wüssten es nur nicht. Nur Schuhverkäufer müssten ahnen, wie viele Transgender-Menschen es gibt – wenn sie mal darüber nachdächten, wie viele Männer Damenschuhe in großen Größen kaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind