Erste Sammelabschiebung nach Tunesien: Zurück via Flugzeug
Seit den Vorfällen in Köln will die Bundesregierung abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben. Das Verfahren hat jetzt begonnen.
An Bord befanden sich 21 Tunesier aus Sachsen und je einer aus Berlin, Bayern und Niedersachsen. Sie wurden nach Enfidha im Nordosten Tunesiens gebracht. Die meisten Abgeschobenen waren laut sächsischem Innenministerium in Deutschland straffällig geworden.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte das Pilotprojekt erst Anfang März im Rahmen einer Maghreb-Reise in Tunis vereinbart. Ähnliche Absprachen gibt es mit den Regierungen Algeriens und Marokkos. Bislang waren Abschiebungen in die nordafrikanischen Länder häufig gescheitert. Haupthindernis waren fehlende Ausweispapiere, bürokratische Hürden und mangelnde Kooperationsbereitschaft.
Die meisten tunesischen Asylbewerber leben in Sachsen. Ende Februar waren dort 610 von ihnen ausreisepflichtig. Lediglich zwölf Tunesier wurden im ersten Quartal abgeschoben. Im Zuge des Flüchtlingszuzugs waren im vergangenen Jahr rund 26 000 Menschen aus dem Maghreb registriert worden. Die Zahl der Ausreisepflichtigen lag Ende Dezember bei über 6100. In ihr Heimatland abgeschoben wurden im ganzen Jahr aber nur 135 Marokkaner, Algerier und Tunesier.
Was jetzt anders ist
Ersatzpapiere für Pässe hätten die Herkunftsländer bisher nur nach erheblichem Aufwand und wenigen Tagen Gültigkeit ausgestellt, hieß es im sächsischen Innenministerium. Die nun von der tunesische Botschaft ausgegebenen Dokumente seien 90 Tage gültig und erstmals für eine ganze Gruppe gefertigt worden. Außerdem hätten sich die Bearbeitungszeiten zur Klärung der Identitäten, die zumeist über Fingerabdrücke erfolgt, deutlich verkürzt.
Für die Abschiebung wurde ein Charterflugzeug genutzt. Bisher hatte die Regierung in Tunis auf eine Rückführung mit Linienflügen bestanden. Als Obergrenze waren 25 Ausreisepflichtige pro Flug verabredet worden.
Im Vergleich zu den anderen nach Deutschland kommenden Flüchtlingen machen die Maghrebiner nur einen kleinen Teil aus. Im Januar lag er bei 4,2 Prozent. Die Anerkennungsquote für tunesische Asylbewerber liegt bei 0,2 Prozent, bei Algeriern bei 1,7 und bei Marokkanern bei 3,7 Prozent.
Nach den Vorfällen während der Silvesternacht in Köln, bei denen vor allem Nordafrikaner Frauen bedrängt, beraubt, sexuell belästigt oder missbraucht haben sollen, hatte die Bundesregierung ihre Bemühungen um raschere Entscheidungen in den Asylverfahren und schnellere Abschiebungen verstärkt. Außerdem will Berlin die Maghreb-Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklären.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen