Eröffnung der Tesla-Fabrik in Grünheide: Zwischen Jobmotor und Umweltsünde
Tesla hat am Dienstag in seiner Fabrik die ersten Großautos im SUV-Format ausgeliefert. Das war leider alternativlos. Ein Wochenkommentar.
W as ist das nun, was da am Dienstag in Grünheide passiert ist, als US-Autobauer Tesla mit einer großen PR-Aktion, unmittelbar an der Berliner Stadtgrenze, die ersten dort produzierten Autos übergab? War das der Auftakt zu einem nie gehabten Job-Wunder, das absehbar zu 10.000 neuen Arbeitsplätzen führen soll, die sich angeblich noch vervielfachen können? Oder ist das Ganze eine große Mogelpackung, Ergebnis einer sehr erfolgreichen PR-Kampagne für Energie, Material und Platz fressende Großautos Typ SUV, die Tesla um einen Elektro-Antrieb herum gebaut hat?
Die Antwort ist schlicht und kompliziert zugleich: Alles ist eine Frage der Betrachtungsweise und der Schwerpunktsetzung. Denn was ist gewichtiger: die geschaffenen Arbeitsplätze, und dass bei diesen Autos kein Co2 aus dem gar nicht vorhandenen Auspuff kommt? Oder dass dabei ignoriert wird, dass der Strom dafür nicht einfach aus der Steckdose kommt, sondern auch produziert werden muss – und zwar derzeit zur Hälfte eben nicht aus nachhaltigen Quellen, sondern in Atom- und Kohlekraftwerken? Das verbunden mit der Tatsache, dass ein schwerer SUV viel mehr von diesem Strom verbraucht als ein kleinerer oder mittelgroßer Wagen, in den übrigens auch vier Leute und zwei Koffer rein passen?
Manche argumentieren: Das mit den SUV ist erst mal ein hinzunehmender Nachteil auf dem Weg zu mehr Elektromobilität, obwohl die ja wegen der nicht gänzlich geklärten Frage der Batterieherstellung und -entsorgung auch nicht kritikfrei ist. Andererseits verfestigen sich nun Größen-Maßstäbe bei Autos, an denen sich später nur schwer rütteln lässt.
Und letztlich ist die Frage zu stellen: Wer ist schuld an der Masse der SUVs auf den Straßen? Hat Tesla als „Car-Dealer“, wie es im Amerikanischen tatsächlich heißt, Autofahrer mit seinem Mega-Format angefixt? Oder ist es die ganz individuelle Verantwortung, mit einem solchen Klotz Straßen und Stromnetze zu belasten? Umfragen unter potenziellen Käufern zeigen trotz aller Debatten über die Klimakrise weiter ein großes Interesse an SUVs, Kleinwagen spielen darin nur noch eine untergeordnete Rolle
Die Landesregierung hatte kaum eine Chance
Gerade dieser Punkt macht die Sache so schwer für staatliches Handeln: Hätte die brandenburgische Landesregierung Tesla nur unter der Vorgabe, keine SUVs zu bauen, grünes Licht geben können? Dann wäre mutmaßlich nichts aus der Fabrik geworden. Denn warum sollte die US-Firma an der Nachfrage des Markts vorbei bauen? Dann doch lieber weiter anderswo produzieren und die SUVs nach Deutschland exportieren. Die Bundesregierung würde kaum durch ein Einfuhrverbot einen Handelsstreit mit den USA provozieren.
Unterm Strich scheint zu stehen: Die SUVs werden sowieso gebaut, also soll das eben in Grünheide passieren – dann profitiert wenigstens die Region davon, indem viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Keine an einer Wiederwahl interessierte Landesregierung hätte es sich leisten können, Tesla zurück zu weisen. Das gilt vor allem für eine, die sich erst mühsam zu einem Ende des Braunkohleabbaus und den damit verbundenen Jobverlusten im Jahr 2038 durch gerungen hatte – und dieses Vorhaben nun auch noch auf 2030 vorziehen soll.
So traurig das sein mag: Jeder und jede Kaufinteressierte hätte es in der Hand, Energie und Platz zu sparen und sich bei gefühlt weniger akzeptablen – auch so ein dehnbarer Begriff – Bus- und Bahnverbindungen ein Elektro-Auto zuzulegen, das eben kein überdimensionierter SUV ist. Das passiert aber leider nicht. Und genau das ist nicht Tesla vorzuwerfen, nicht der brandenburgischen Landesregierung und auch nicht dem Staat allgemein, sondern konkret jedem, der hinter dem Steuer eines solchen Autos zu sehen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner