Erneuerung von Schalke: Arien aus der zweiten Reihe

Bei Schalke 04 ist man vor dem Derby gegen Dortmund zuversichtlich. Viele Entscheidungen der neuen Sportchefs fruchten bereits.

Trainer vor Fankurve

Schalker Selbstbewusstsein: die Fans sind unter der Regie von Coach Wagner optimistisch Foto: imago/Team2

GELSENKIRCHEN taz | Es ist wieder ausgesprochen ruhig geworden um Michael Reschke, seit der gebürtige Rheinländer vor 5 Monaten als Technischer Direktor beim FC Schalke angeheuert hat. Als Stuttgarter Sportvorstand stand er zuvor, bis zu seiner Entlassung im Februar, 18 Monate in vorderster Linie.

Eine ungewohnte Position für den langjährigen Hintergrundarbeiter, der sich nach den Erfahrungen beim VfB für die Tätigkeit in Gelsenkirchen ganz gezielt den Mantel des Schweigens umgelegt hat. Nur einmal noch kam Reschke etwas ins Plaudern, bei seiner Vorstellung auf dem Berger Feld Ende Juni.

Da erzählte er vom Auftritt vor dem Aufsichtsrat des Revierklubs – wo sich am Ende Gremiumschef Clemens Tönnies (der sein Amt im Zuge der Rassismusaffäre aktuell ruhen lässt) und Jochen Schneider, selbst erst Mitte März als neuer Sportvorstand von Ligakonkurrent Leipzig weggelotst, „einen Gesangswettstreit“ am Tresen geliefert hätten. Mit dem berühmten Steiger-Lied und anderen gängigen Schalker Musikstücken inklusive.

„Da haben alle mitgeträllert – das hat mich begeistert“, berichtete Reschke, der sich vor seinem Wechsel zu den Bayern (2014) 10 Jahre lang in Leverkusen als erfolgreicher Backgroundarbei­ter einen Namen gemacht hat. Anschließend lauschte der 62-Jährige, wie Schneider ihn als einen­ „mit allen Wassern gewaschenen“ Manager pries, seine „phänomenalen“ Fähigkeiten auf dem Transfermarkt lobte – und erklärte dann geradezu devot: „Ich hoffe, dass ich dieser Lobes­arie gerecht werden kann.“

Am eigenen Beitrag zu künftigen S04-Arien bastelt Reschke („Für mich heißt es: Ruhe im Schacht – Malochen statt quatschen“) seitdem im königsblauen Hinterhaus. Als stiller Zuarbeiter für Schneider, der als Sport-Boss naturgemäß stärker in der Öffentlichkeit steht, diese Rolle aber ebenfalls bevorzugt aus der zweiten Reihe ausübt. Seine erste Amtshandlung war die Beurlaubung von Cheftrainer Domenico Tedesco – und seine bislang weitreichendste auf Schalke die Suche nach einem geeigneten Nachfolger.

Die Typ-Frage

„Der Trainer ist immer die wichtigste Personalie in einem Verein“, doziert Schneider, der vor seinem Engagement in Leipzig 15 Jahre lang in unterschiedlichen Positionen für den VfB Stuttgart arbeitete. Entsprechend viel Zeit nahm sich der gebürtige Schwabe, bis er sich auf David Wagner als neuen Coach festlegte – und vor dem Revierderby gegen Dortmund nun betont: „Es ist wohltuend zu sehen, dass die Dinge bislang so eintreffen, wie wir sie uns gewünscht haben.“

Jochen Schneider, Sportvorstand

„Es ist wohltuend zu sehen, dass die Dinge bislang so eintreffen, wie wir sie uns gewünscht haben“

Die Typ-Frage war für den obersten Schalker Strippenzieher beim Casting auf dem Trainermarkt entscheidend. Die ausgefeilten taktischen Überlegungen, mit denen Tedesco das Team bisweilen überforderte, sollten einem einfacheren Fußball weichen.

„Wir wollten einen positiven Typen zu uns holen, der den Laden sprichwörtlich anzünden kann“, sagt Schneider, der nebenher die Lehren aus seinen knapp dreieinhalb Jahren in Leipzig auf die Arbeit im Pott übertrug.

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Besonders im Fokus stand dabei ein verbesserter Austausch zwischen Mannschaft und Betreuerstab – der zugleich deutlich erweitert wurde. Der Job des Technischen Direktors wurde extra für Michael Reschke geschaffen, der nicht zuletzt eine neue Scoutingabteilung aufbauen soll. Ähnlich wie Sebastian Kehl seit Juni 2018 bei Samstag-Gegner Dortmund koordiniert Ex-Profi Sascha Riether seit diesem Sommer die Lizenzspielerabteilung von S04. Auch diesen Posten gab es vorher nicht – zudem sitzen mit Sascha Lense im Bereich Sportpsychologie, Team-Manager Lars Laser und Sportkoordinator René Grotus nun weitere Spezialisten mit im Boot.

Die rasche Belohnung für all diese Maßnahmen ist ein Spitzenplatz nach 8 Runden. Und das Selbstbewusstsein, mit dem der Vorjahresvierzehnte den aktuell arg instabilen Revierrivalen und dessen zunehmend in der Kritik stehenden Trainer Lucien Favre empfängt. „1904 Prozent Killerinstinkt“, kündigt zum Beispiel Abwehrchef Benjamin Stambouli an. Dazu tönte Offensivspieler Amine Harit, bei seinem Leistungssprung unter David Wagner Profiteur des Wirkens des neuen, zuvor in Stuttgart und Dortmund tätigen Integrationsbeauftragten Massimo Mariotti: „Natürlich können wir Dortmund schlagen. Das hat gerade die vergangene Saison gezeigt.“

Da triumphierten die Blau-Weißen am viertletzten Spieltag mit 4:2 bei den Schwarz-Gelben – und rissen den BVB aus allen Meisterträumen.

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