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Erneuerbare überholen Kohle bei Strom

Erstmals stammt weltweit mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Kohle – die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet jedoch ein geringeres Wachstum

Solarpark und Windkraft vereint: Im Energiepark Mastershausen liefern Sonne und Wind gemeinsam sauberen Strom Foto: Paul Langrock

Von Kai Schöneberg

Gute Nachrichten für die globale Energiewende: Aus Erneuerbaren wurde erstmals mehr Strom erzeugt als aus Kohlekraft. „Das ist eine historische Verschiebung“, kommentierte Sonia Dunlop von der Photovoltaik-Lobbyvereinigung Global Solar Council Zahlen des Thinktanks Ember. Danach produzierten Wind-, Sonne- oder Wasserkraft im ersten Halbjahr 2025 Strom im Umfang von 5.072 Terawattstunden, während Kohle auf 4.896 Terawattstunden kam.

Insgesamt schreitet die weltweite Transformation wegen politischer Verwerfungen jedoch langsamer voran als gedacht: Die Internationale Energieagentur (IEA) senkte am Dienstag ihre Prognose für das Wachstum grüner Energien. Sie fürchtet, das Ziel der Weltklimakonferenz von 2023, die Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 im Vergleich zu 2022 zu verdreifachen, werde nicht erreicht. Sie werde bis dahin voraussichtlich „nur“ um das 2,6-Fache anwachsen.

Das ist allerdings immer noch viel: Die weltweite Kapazität erneuerbarer Energien soll laut IEA bis 2030 um 4.600 Gigawatt (GW) steigen – deutlich weniger als die im Jahr 2024 prognostizierten 5.500 GW, aber immer noch so viel wie die gesamte Erneuerbaren-Kapazität von China, Indien und Japan heute.

Grund für die Abwärtskorrektur: Vor allem Donald Trump. Der US-Präsident bremst Ökoenergien aus, wo er nur kann: Steuergutschriften für grüne Produkte wurden zurückgenommen und sogar Genehmigungen für bereits weitgehend fertiggestellte Windparks zurückgezogen. Prognostizierte die IEA bislang, die USA würden ihre Erneuerbaren-Kapazitäten bis 2030 um 500 GW erhöhen, halbierte sie nun ihre Vorhersagen auf 250 GW.

Auch das Wachstum in China sieht die IEA nicht mehr ganz so rosig: Auf dem Erneuerbaren-Markt Nummer 1 verschärft der Übergang von festen Einspeise­tarifen für Ökostrom hin zu wettbewerbsorientierten Ausschreibungen die Rahmenbedingungen für Projekte – senkt allerdings auch die Kosten. Laut IEA macht China jedoch „weiterhin fast 60 Prozent des weltweiten Wachstums bei Erneuerbaren aus“ – und sei auf dem besten Weg, seine Ausbauziele für Wind- und Solarenergie fünf Jahre früher als geplant bis 2035 zu erreichen.

Es gibt weitere Lichtblicke: Die IEA erhöhte die Prognosen für Indien um 10 Prozent. Das bevölkerungsreichste Land der Erde dürfte demnach bald nach China das weltweite zweitgrößte Wachstum bei Erneuerbaren haben. Die Zahl der Ausschreibungen wachse, Genehmigungen seien beschleunigt worden, Solaranlagen auf Hausdächern boomen. Die IEA erhöhte auch die Prognosen für grüne Energie im Nahen Osten und Nordafrika um 23 Prozent, vor allem wegen mehr Windkraftanlagen und Solarzellen in Saudi-Arabien.

Solarenergie macht fast 80 Prozent des weltweiten ­Zuwachses bei erneuerbaren Energien aus, gefolgt von Windkraft, Wasserkraft, Bioenergie und Geothermie. Niedrige Kosten, schnellere Genehmigungsverfahren und eine breite gesellschaftliche Akzeptanz trieben die Verbreitung von Solarzellen voran, so die IEA.

Windenergie kämpft dagegen mit Hürden. Sie habe mit Problemen in der Lieferkette, steigenden Kosten und Verzögerungen bei Genehmigungen zu kämpfen.

Dennoch erwartet die IEA, dass sich die weltweite Kapazität in dem Sektor bis 2030 fast verdoppeln wird. Schwachpunkt ist vor allem Offshore-Wind: Die Energieagentur kappte die Wachstumserwartung hier um rund ein Viertel unter dem Vorjahreswert. Gründe: Lieferengpässe und gestiegene Kosten.

Der wachsende Anteil von Wind- und Solarenergie verändere die Strommärkte enorm und erhöhe die Herausforderungen bei der Integration, betonte die IEA. Dringend nötig seien flexiblere Stromversorgungssysteme und Investitionen in das Stromnetz. Das gilt auch für Deutschland. Hier deckten die Erneuerbaren in den ersten drei Quartalen 2025 rund 57 Prozent des gesamten Stromverbrauchs.

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