Erneuerbare Energien: Der Nordsee-Öko-Pakt
Mehrere Nordsee-Anrainer wollen sich für ein Großprojekt für erneuerbare Energien verbünden. Bislang gibt es jedoch nicht mehr als eine vage Idee.
Die Anliegerstaaten der Nordsee wollen auf dem Meeresgrund ein gigantisches Hochspannungsnetz aufbauen, um die Energie der künftigen Offshore-Windparks ins europäische Netz zu bringen. An dieser Nordsee-Offshore-Initiative ("North Seas Countries Offshore Grid Initiative") hat von deutscher Seite das Bundeswirtschaftsministerium mitgewirkt.
Ziel der Initiative ist es, tausende von Kilometern von Gleichstromtrassen auf See zu schaffen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass in einem großen und leistungsfähigen Stromnetz Schwankungen der erneuerbaren Energien besser ausgeglichen werden können. Denn je größer die zusammengeschaltete Region ist, umso geringer ist das Risiko, dass alle Windkraftanlagen gleichzeitig unter Flaute leiden. Bislang gelten die starken Schwankungen der erneuerbaren Energien als größtes Hemmnis beim Ausbau des Ökostroms.
Wenn in Deutschland der Wind stark weht, können etwa die Wasserkraftwerke in Norwegen ihre Leistung drosseln und stattdessen Strom aus Deutschland importieren. Flaut der Strom später ab, kann die Energie in die Gegenrichtung fließen, weil nun das Wasser, das zuvor in Norwegens Stauseen zurückgehalten wurde, zur Stromerzeugung genutzt werden kann.
Da das Thema Netze entscheidend ist, haben sich nun die Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Dänemark, Norwegen sowie die Beneluxstaaten auf den Bau eines gemeinsamen marinen Hochspannungsnetzes verständigt. Bis zu 30 Milliarden Euro sollen laut Süddeutscher Zeitung in das Projekt investiert werden.
Seitens der Unternehmen am meisten involviert ist der Übertragungsnetzbetreiber Transpower, die ehemalige Eon-Tochter. Doch auch bei Transpower hieß es gestern lediglich, das ganze Projekt sei noch eine "junge Initiative". Transpower verfügt unter den deutschen Hochspannungsnetzbetreibern derzeit über die meisten Kenntnisse bei der Offshore-Verkabelung, weil das Unternehmen die Anschlüsse der beiden ersten deutschen Offshore-Windparks Alpha Ventus und Bard 1 installiert hat.
Bislang gibt es jedoch nicht mehr als eine vage Idee. Die beteiligten Ministerien wollen erst gegen Jahresende überhaupt eine Absichtserklärung unterzeichnen, die das weitere Vorgehen regelt. Auch ein Zeitplan soll erst bis dahin erarbeitet werden.
So blieb auch das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mit Fakten zu dem Thema sehr zurückhaltend. Es hob lediglich die "große Bedeutung" der Initiative hervor und betonte, nun mit den anderen Ländern "Schwerpunkte der Zusammenarbeit bestimmen und dabei auch in einen intensiven Dialog mit den zahlreichen europäischen Akteuren im Bereich Offshore treten" zu wollen. Minister Rainer Brüderle (FDP) ließ sich damit zitieren, dass man "die Ressourcen der verschiedenen Teilnehmerstaaten bündeln" wolle.
Nach Medienberichten vom Dienstag hoffen die Regierungen, das Projekt ohnehin erst bis in zehn Jahren umgesetzt zu haben. Das ist lang, doch die Zeit drängt. In den nächsten Jahren soll der Ausbau der Offshore-Windkraft in der Nordsee massiv vorangetrieben werden. Aktuell sind Windkraftprojekte mit mehr als 100.000 Megawatt in Planung, was der Leistung von etwa 100 Kohlekraftwerken entspricht.
Das nun propagierte Netz, das auf Basis von Gleichspannungstrassen aufgebaut werden soll, dürfte jedoch ohne große Umspannstationen auf See nicht auskommen - eine echte technische Herausforderung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland