Ermittlungen zur Zwickauer Zelle: Terrortrio hatte Kontakt zur NPD
Nachdem die Terroristen der Zwickauer Zelle untergetaucht waren, telefonierten sie mit NPD-Mitgliedern. Die rechtsextreme Partei will mit dem Trio aber weiterhin nichts zu tun gehabt haben.
ERFURT/HAMBURG dpa/afp | Das Neonazi-Terrortrio soll nach einem Bericht des Spiegel nach seinem Untertauchen mehrere NPD-Funktionäre als Kontaktleute genutzt haben. Im März 1999 habe sich der 1998 untergetauchte Uwe Böhnhardt telefonisch beim Kopf des "Thüringer Heimatschutz" und späteren NPD-Landesvize Tino Brandt gemeldet, berichtete das Magazin. Für 1999 wird er als NPD-Landespressesprecher genannt.
Böhnhardt habe um Geld gebeten und sich über die Unzuverlässigkeit anderer Helfer beschwert. Außerdem habe Böhnhardt einen Anruf des Rechtsanwalts und damaligen NPD-Bundesvize Hans-Günter Eisenecker angekündigt, der als Justiziar für die Partei gearbeitet habe. Wenn Eisenecker das Codewort "19 Uhr" benutze, solle Brandt den Jenaer Neonazi Ralf Wohlleben kontaktieren.
Wohlleben war Ende November in Jena als mutmaßlicher Unterstützer des Trios verhaftet worden, weil er den Untergetauchten eine Waffe und Munition beschafft haben soll. Er trat nach Angaben des Thüringer Verfassungsschutzes Anfang 1999 in die NPD ein und saß mehrere Jahre im Thüringer Landesvorstand. Die NPD weist aber jeden Zusammenhang mit dem Trio von sich und distanziert sich von ihnen als "durchgeknallte Mörderbande".
Beweismittel vernichtet
Brandt arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren als V-Mann "Otto" für den Thüringer Verfassungsschutz. Enttarnt wurde er aber erst im Frühjahr 2001, also zwei Jahre nach dem berichteten Kontakt zu Böhnhardt. Laut Spiegel berichtete Brandt seinem V-Mann-Führer zwar von dem Telefonat, aber mit solcher Verzögerung, dass die Ermittler daraus keinen Nutzen hätten ziehen können. Sein Telefon sei nicht abgehört worden, berichtet der Spiegel.
Unterdessen berichtet die Berliner Zeitung, dass Beweismittel aus dem 1998 gegen das Neonazi-Trio eingeleitete Ermittlungsverfahren vernichtet wurden. Wie das Blatt berichtete, handelt es sich bei den vernichteten Beweismitteln um die im Januar 1998 sichergestellten vier Rohrbomben sowie um Abhörbänder von mutmaßlichen Unterstützern von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Die Beweismittel seien nach der in dem Verfahren im Jahr 2003 eingetretenen Verjährung von den Thüringer Ermittlungsbehörden entsorgt worden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden