piwik no script img

Ermittlungen zur Tötung von LübckeKommunalpolitiker beunruhigt

Sie engagieren sich gegen rechts und wurden dafür bedroht. Nun sind Kommunalpolitiker wegen des rechten Tatverdächtigen im Fall Lübcke besorgt.

Nix gelernt: Rechte haben in Deutschland bereits zahlreiche Politiker*innen angegriffen Foto: dpa

Hannover/Berlin dpa/taz | Der offenbar von einem Rechtsextremisten verübte Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) hat bei von Drohungen betroffenen Kommunalpolitikern Ängste ausgelöst. Der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Tröglitz in Sachsen-Anhalt, Markus Nierth, zeigte sich am Dienstag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) verunsichert. Kämpferisch äußerten sich in Nordrhein-Westfalen die Stadtoberhäupter Kölns und Altenas.

„Meine Frau und ich waren schon über die Mordnachricht sehr erschrocken. Und die Verhaftung macht uns natürlich auch große Angst. Denn die Erinnerungen an die eigenen angstbeladenen Wochen und Monate werden neu belebt“, sagte Nierth dem RND. Bei Lübcke hätten rechtsextremistische „Terroristen durchgezogen, was sie sich seit Jahren in ihren perversen Gewaltfantasien erträumen“. Nierth war nach seinem Einsatz für Asylsuchende von Rechtsextremisten 2015 bedroht worden und von seinem Amt zurückgetreten.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) rief nach der Festnahme des Tatverdächtigen zur Wachsamkeit auf. Die furchtbare Tat mache deutlich, dass „Feinde der offenen Gesellschaft“ keine Grenzen kannten, sagte Reker der Deutschen Presse-Agentur. „Das muss uns wachsam machen, aber nicht ängstlich.“

Und weiter: „Denjenigen, die unsere offene und freie Gesellschaft bedrohen, muss klar sein, dass wir keinen Zentimeter zurückweichen. Das hat auch mich immer wieder motiviert und tut es heute mehr denn je.“

Denjenigen, die unsere offene und freie Gesellschaft bedrohen, muss klar sein, das wir keinen Zentimeter zurückweichen.

Henriette Reker, Kölner Oberbürgermeisterin

Reker war 2015 im Oberbürgermeister-Wahlkampf von einem rechtsextremistischen Attentäter mit einem Messer in den Hals gestochen und lebensgefährlich verletzt worden. Die heute 62-Jährige lag mehrere Tage im künstlichen Koma.

Der Attentäter wurde wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu 14 Jahren Haft verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts wollte er mit seiner Tat ein Signal gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung setzen.

Patronen im Briefkasten

Der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU), sagte mit Blick auf Lübcke dem RND: „Wenn sich die Verdachtsmomente bestätigen, dann muss das umfassend aufgeklärt werden.“ Ein rechtsextremistischer Mord an einem Politiker „wäre eine neue Dimension, gegen die man mit der ganzen Härte des Rechtsstaates vorgehen muss. Man darf den Rechtsextremisten keinen Millimeter Spielraum lassen.“ Hollstein war 2017 von einem Mann mit einem Messer attackiert worden, der sich während des Angriffs abfällig über Hollsteins liberale Flüchtlingspolitik äußerte.

Zuletzt waren auch Fälle von Politiker*innen bekannt geworden, die massiv bedroht wurden. Der Schwarzwälder Bote berichtet von der SPD-Kreisvorsitzenden Viviana Weschenmoser aus dem baden-württembergischen Horb, die Patronen in ihrem Briefkasten fand. Weschenmoser ist demnach vor Ort wegen ihres Engagements gegen rechts und für Geflüchtete bekannt. SPD-Außenminister Heiko Maas hatte in der Vergangenheit ebenfalls Patronen in seinem Briefkasten.

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni vor seinem Haus im hessischen Wolfhagen-Istha erschossen worden. Der Kopfschuss aus nächster Nähe kam einer Hinrichtung gleich. Am Wochenende nahmen Spezialeinheiten in dem Fall einen 45-Jährigen fest, die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Am Montag bekräftigte dort ein Sprecher, dass die Behörde von einem „rechtsextremistischen Hintergrund der Tat“ ausgehe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Liebe TAZ

    Wiedereinmal muss ich eine kleine manipulative "Ungenauigkeit" reklamieren (... das häuft sich in letzter Zeit *böse guck*)



    Sie titeln: "Nun sind Kommunalpolitiker [...] besorgt."



    Was mich stört ist das "Nun".



    Sie versuchen zu suggerieren, dass das etwas "neues" sei, das ist es aber nicht.



    Kommunalpolitiker, besonders im Osten, sind schon lange dem rechten Mob schutzlos ausgeliefert. Die Zeitungen hat es einfach nur nicht interessiert ... und jetzt tun Sie so überrascht?



    Sie haben über Jahre nur gegen die AfD gehetzt und die Sorgen der Bürger als "Rechtes Pack" abgetan ... statt detailliert aufzuzeigen, wo die Fehler in den Denkmustern bestehen, was die tatsächlichen Ursachen der Probleme sind und was "nicht rassistische", also "die richtigen", Lösungen für die Probleme sind ... so haben Sie dieses Feld der AfD überlassen, die ungehindert, da von Ihnen ignoriert und abgetan, "Lösungen" bietet (die nicht funktionieren können).



    Jetzt so zu tun als wären Sie überrascht ist unverschämt, zum einen den Menschen gegenüber, die von Ihnen gerne Aufklärung bis hin zu Lösungsvorschlägen gehabt hätten, aber nur Beschimpfungen, Überheblichkeit, Beleidigungen und Hass erhalten haben, und zum anderen den Kommunalpolitikern gegenüber, die Sie sträflichst Ignoriert und im Stich gelassen haben.