Ermittlungen nach Film „Elternschule“: Verhalten wäre bei Eltern rechtswidrig
Manche Kinder schreien 14 Stunden am Tag, manche essen nur Chicken Nuggets. Eine Klinik bietet Hilfe an. Nach einer Kino-Doku ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Der erst vor knapp drei Wochen in den Kinos gestartete zweistündige Film handelt von der mehrwöchigen Behandlung von psychosomatisch erkrankten Klein- und Vorschulkindern etwa mit massiven Ess- und Schlafstörungen oder von Kindern, die 14 Stunden am Tag schreien. In die stationären Therapien in der Abteilung Pädiatrische Psychosomatik sind auch die Eltern stark eingebunden. Jährlich behandelt die Abteilung rund 150 Kinder und ihre Eltern.
Seit seinem Erscheinen im Oktober sorgt „Elternschule“ für kontroverse Debatten über die angewandten Therapiemethoden. Gezeigt wird etwa, wie Kinder mit Schlafstörungen allein in einem dunklen Schlafzimmer die Nacht verbringen – und irgendwann durchschlafen können. Ein Mädchen, das bislang nur Pommes und Chicken Nuggets aß, lernt mühsam, auch andere Speisen zu essen. Zu sehen sind auch verzweifelte Eltern mit großen Schwierigkeiten, ihr Kind allein zu lassen. Kritiker wie etwa der Kinderarzt und Buchautor Herbert Renz-Polster bemängeln, dass in der Einrichtung Kindern gewaltsam ein bestimmtes Verhalten aufgezwungen werde, sie etwa zum Essen gezwungen würden. Die Anzeige gegen die Klinik bezeichnete er am Dienstag als „mutig und richtig“.
Auch nach Ansicht des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) enthält der Film zahlreiche Szenen, in denen Kinder psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind. „Die in den Film gezeigten Behandlungsmethoden können keinesfalls Vorbild für die Erziehung von Kindern in Deutschland sein“, sagte Kindheits- und Familienforscherin sowie DKSB-Vizepräsidentin Sabine Andresen laut einer Mitteilung. „Diese Praktiken führen zu einer Verunsicherung von Eltern im Umgang mit ihren Kindern.“ Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers stellte fest: „Verhalten sich Eltern gegenüber ihren Kindern so wie das Klinikpersonal in dem Film, dann ist das rechtswidrig.“
Viel Zuspruch vom Publikum
Die Klinik hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. „Unsere Arbeit ist absolut gewaltfrei. Die klinischen Methoden entsprechen dem aktuellen Forschungsstand und den Standards der medizinischen Wissenschaft“, schrieb Kurt-André Lion, ärztlicher Leiter der Abteilung, in einer vergangene Woche veröffentlichten Stellungnahme. Das verhaltenstherapeutische Programm basiere auf den Empfehlungen und Vorgaben von anerkannten Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. „Wir arbeiten wie auch andere psychosomatische Kliniken in Deutschland.“ Eine Kliniksprecherin betonte, dass der Film auch sehr viel Zuspruch vom Publikum erfahren habe.
Der Film von Jörg Adolph und Ralf Büchel soll auch im Fernsehen gezeigt werden. Wann und in welchem Programm, stehe noch nicht fest, sagte eine Sprecherin des Filmverleihers Zorro Film. An der Produktion war auch der Südwestrundfunk beteiligt.
Zahlreiche Kritiker haben sich im Internet zu Wort gemeldet. Darunter ist auch die Initiatorin einer Unterschriftensammlung gegen den Film. Bis Dienstag hatten rund 22 000 Menschen einen Aufruf unterzeichnet, in dem gefordert wird, den Film nicht mehr zu zeigen – weder im Kino, noch im Fernsehen noch im Internet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben