Ermittlungen gegen Winterkorn: Mehr Tempo
Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn steht im Dieselskandal zunehmend unter Druck. Nun auch von Seiten des Verkehrsministers Scheuer.
Anfang der Woche hatte Winterkorn noch mitteilen lassen, zu den Vorwürfen öffentlich Stellung nehmen zu wollen. Doch nun kam der teilweise Rückzieher: Ein Insider ließ die Deutsche Presse Agentur wissen, dass der VW-Manager sich frühestens dann äußern wolle, wenn seine Anwälte Akteneinsicht erhalten haben. Dies wird nach Angaben des Sprechers der Braunschweiger Staatsanwaltschaft, Klaus Ziehe, voraussichtlich erst im Sommer passieren
Die erneute Verzögerung dürfte in der Öffentlichkeit auf wenig Verständnis treffen. Selbst der Chef des Bundesministeriums, dem UmweltschützerInnen einen Kuschelkurs gegenüber der Autoindustrie vorwerfen, drückt auf die Tube. „Da würde ich mir wie viele Bürger mehr Tempo wünschen“, kritisiert Andreas Scheuer die schleppende Aufarbeitung des Dieselskandals im „Handelsblatt“.
Der Dieselskandal zieht seit seiner Aufdeckung im Jahr 2015 immer weitere Kreise. Trotz Millionen Geschädigter wurde in Deutschland bisher noch kein einziger Verantwortlicher vor Gericht gestellt. Die Ermittlungen laufen schon seit zweieinhalb Jahren. Doch es handele sich um ein Verfahren einer Dimension, die es in Deutschland nicht oft gibt, heißt es bei der Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Man wolle sich nicht in einem Schnellschussverfahren vorführen lassen.
Stand der Ermittlungen
An der Ermittlungslage habe sich aktuell jedoch nichts geändert, so die Staatsanwaltschaft. Die Behörde geht einem Betrugsverdacht gegenüber Winterkorn nach. Zudem wird gegen ihn wie auch gegen den neuen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wegen möglicher Marktmanipulation ermittelt.
Die Behörde hat inzwischen insgesamt 49 mutmaßlich Beteiligte im Visier – bei 39 geht es um Software-Manipulationen zum Stickstoffdioxid-Ausstoß, bei 6 um falsche CO2- und Verbrauchsangaben. In drei Fällen geht es um Marktmanipulation, in einem Fall um einen Mitarbeiter, der zum Löschen von Daten aufgerufen haben soll. Für neue Verfahren könnte auch die jüngst auf den Weg gebrachte Musterfeststellungsklage sorgen. Sie erlaubt es Verbänden, in Vertretung geschädigter Verbraucher*innen eine Art Sammelklage gegen Unternehmen anzustrengen.
„Wir haben ein Ermittlungskonzept, das wir abarbeiten, und wir werden über die Frage von Anklageerhebungen nicht heute oder morgen entscheiden“, betonte Ziehe unlängst. Zwar nehme die Anklagebehörde die US-Ergebnisse „interessiert zur Kenntnis“ – die eigene Ermittlungsarbeit ändere dies aber nicht. Es ergäben sich zudem immer wieder neue Ansätze. Daher sei es nicht ausgeschlossen, dass auch noch weitere Beschuldigte hinzukommen könnten. Für Winterkorn, der jüngst betonte „im Büßergewand“ sehe er sich nicht, wird es also zunehmend eng. (mit dpa)
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