piwik no script img

Ermittler in den Fällen Peggy K. und NSUDer Falsch-Verdächtiger

Wolfgang Geier, mittlerweile pensioniert, war früher der Chefermittler für schwere Fälle. Sowohl im Fall Peggy K. als auch beim NSU lag er falsch.

Wolfgang Geier 2006 bei der Arbeit als Chef der Soko Bosporus Foto: dpa

Es gab sie schon früher, die Verbindung zwischen dem Fall Peggy K. und dem NSU, auch vor dem jetzigen DNA-Fund des Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt nahe der Leiche der Neunjährigen. Die Verbindung hieß: Wolfgang Geier. Der Würzburger war Chefermittler in beiden Fällen – und lag beide Male mit seinen Ermittlungen fatal daneben.

2002 wurde Geier, Chef der Polizeidirektion Aschaffenburg, zum Kopf der Soko im Fall Peggy K. ernannt. Das Mädchen war ein Jahr zuvor spurlos im bayerischen Lichtenberg verschwunden. 2005 übernahm er dann die Ermittlungen der Soko „Bosporus“, die den damals ungelösten Ceska-Morden an neun Migranten nachging.

Geier kam mit einigen Vorschusslorbeeren. Der dreifache Vater galt als unermüdlich und präzise, als Mann für schwere Fälle. Nun legte er sich zweimal fest. Im Fall Peggy K. sollte der Täter Ulvi K. sein, ein geistig beeinträchtigter Deutschtürke. Auch bei den Ceska-Morden vermutete Geier den Täter in der türkischen Community. Die Opfer könnten in der Drogenszene aktiv gewesen sein, sagte er in einem Interview. Von einem rassistischen Motiv halte er „überhaupt nichts“.

In beidem lag er falsch. Zu den Ceska-Morden bekennt sich 2011 der rechtsterroristische NSU. Im Fall Peggy K. hatte Ulvi K. sein Geständnis widerrufen. Hartnäckig hielt sich der Verdacht, dieses sei nur unter Druck und mit Vorgaben der Ermittler zustande gekommen. Jahrelang sitzt K. in der geschlossenen Psychiatrie, dann wird er 2014 in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen.

Geier sah die Fehler bei anderen: Beim NSU habe der Verfassungsschutz nicht ordentlich zugearbeitet. Bei Ulvi K. habe der Anwalt geschlampt. Zudem hätte K. das Motiv gehabt. Als Geier vom DNA-Fund Böhnhardts hörte, sagte er der Süddeutschen Zeitung, er habe dies „erst gar nicht glauben können“. Für einen Zusammenhang beider Fälle habe es „nie eine Spur“ gegeben.

Den Fortgang verfolgt Geier nun aus der Distanz: Er ist inzwischen pensioniert. Welche Verbindung die Böhnhardt-DNA mit dem Fall Peggy K. hat, werde weiter intensiv geprüft, teilte am Sonntag die Polizei Oberfranken mit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Vielleicht hat es Uwe Böhnhardt aufgrund dieses "tollen" Ermittlers auch wieder in diese für ihn sichere Gegend gezogen...

     

    Der NSU musste das irgendwann alles veröffentlichen, alleine schon, um diesen Staat und seine Ermittler und Dienste vorzuführen. Ist doch auch blöd, wenn noch nicht mal jemand in die Nähe der tatsächlichen Täter kommt... Wo bleibt da der Kick, den Kriminelle sicher auch suchen?

  • Mich treibt ein vll etwas kruder Gedanke um. Peggy´s Nachname war Knobloch. Ein in der rechten Szene reizbefrachteter Name in Bezug auf die Jüdin Charlotte Knobloch und ihren Bankersohn. Der Mutter von Peggy wurde 11 Tage nach dem Verschwinden der Tochter ein Nazi-Hassbrief, abgefangen durch die Polizei zugesandt, der die Partnerschaft der Mutter mit einem muslimischen Türken, wie auch ihre Konvertierung zum Islam thematisierte. Könnten das nicht Trigger respektive Motive für einen fanatischen, pädophilen Nazi Böhnhardt gewesen sein, die Ermittler schon 2001 auf eine mutmaßlich richtige Spur hätten führen können ?

    So blind kann man doch nicht sein.

    • @lions:

      Gar nicht krude, sondern nahe liegend. Danke für den Hinweis!

    • @lions:

      Sehr interessant!

  • http://www.regensburg-digital.de/ohne-verfassungsschutz-hatte-es-keine-nazi-morde-gegeben/20032013/

     

    Tino Brandt, V-Mann, rechtsradikaler Aktivist und Hauptstrippenzieher des NSU, 1975 in Thüringen geboren und aufgewachsen, zog als Jugendlicher von dort nach Landau, 1993 dann nach Regensburg. Brandt lebte im Lehrlingsheim des Kolpingwerkes. Er verließ Regensburg, nachdem die Antifa öffentlich gemacht hatte, dass es sich bei Brandt um einen notorischen rechtsradikalen Funktionär handelt, dessen Aktvitäten den Behörden genauso bekannt waren wie seine pädokriminellen Straftaten. Akutell sitzt Brandt wegen vielfacher Missbrauchskriminalität in Haft. Er hat zudem, Jugendliche zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung verkauft https://de.wikipedia.org/wiki/Tino_Brandt

     

    Es drängen sich ein paar Fragen auf:

    1.Wie ist Tino Brandt auf die Idee gekommen, nach Regensburg zu ziehen?

    2.Wer hat dafür gesorgt, dass er im Lehrlingsheim des Kolpingwerkes Unterschlupf findet?

    3.Wie ist Tino Brandt aufgewachsen? Aus was für einem Milieu stammt er?

    4.Wovon hat er gelebt, als er noch nicht volljährig, seine Heimat verließ?

    5.Wann und wie kam Tino Brandt mit Missbrauchskriminalität in Berührung?

    6.Welche Beziehung besteht zwischen Tino Brandt und Angehörigen des Bistums Regensburg, insbesondere denen, die direkt mit den Regensburger Domspatzen zu tun haben?

    • @Angelika Oetken:

      Ich möchte darauf hinweisen, dass die Nachrichtendienste beider deutscher Staaten insbesondere vor dem Mauerfall gezielt Pädokriminalität einsetzten, um ihren Auftrag zu erfüllen. Genauso wie man andere, für bestimmte Menschen attraktive Destruktivitäten nutzte, um Personen zu instrumentalisieren. Die SPD-Abgeordnete Angela Marquardt, in der DDR aufgewachsen, hat Teile der an ihr begangenen geheimndienstlichen Verbrechen in diesem Buch vorgestellt http://www.kiwi-verlag.de/buch/vater-mutter-stasi/978-3-462-04723-3/

       

      Man sollte sich im Übrigen von Parolen wie „Todesstrafe für Kinderschänder“, die nicht nur Neofaschisten verbreiten. nicht täuschen lassen. Sie erfüllen einen ähnlichen Zweck wie das Beschwören des christlichen Familienideals und die Diffamierung von Homosexualität durch die katholische Priesterschaft. Wie es in Wirklichkeit aussieht, veranschaulicht die Missbrauchskriminalität an den Einrichtungen der Domspatzen sehr deutlich. Wer Kinder missbraucht, hat auch wenig(er) Skrupel, Geld zu veruntreuen, Menschen auszuspionieren bzw. zu verletzen. Oder auch zu töten.

       

      Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Komisch, ich hatte bei Bekanntwerden der NSU-Spuren im Fall Peggy sofort den Gedanken: 'Oh, da hat vielleicht jemand ganz bewusst einen falschen Verdächtigen produziert, um Böhnhardt zu schützen'. Wär's möglich?

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Das muss man können: Einen geistig behinderten Menschen mit gar keinen bzw. selbst fabrizierten "Beweisen" ans Messer zu liefern und damit den Grundstein dafür zu legen, dass dieser unschuldig fast 13 Jahre im Gefängnis sitzt;

    angesichts der NSU-Mordserie sich frühzeitig und ohne sachlichen Grund darauf festzulegen, rassistische Motive seien ausgeschlossen, die Opfer und deren Angehörigen zur Zielscheibe von Verdächtigungen zu machen und damit jeglichen Ermittlungsansatz gegen die wahren Täter zu verhindern.

    Und sich dann, nach all den schlimmen Pannen, Fehlern und Versäumnissen hinzustellen, nichts einzuräumen, sich für nichts zu entschuldigen, sondern nur mit dem Finger auf andere zu zeigen. Erbärmlich, einfach nur erbärmlich !

  • Das beantwortet meine Frage, ob die gefundene DNS Sequenz eine Kontamination sein könnte (durch jemanden, der mit beiden Tatorten in Verbindung war). "Kontamination von DNA" ist das zentrale Problem des Amanda Knox-Prozesses (siehe Link) und die Antwort auf die Frage ist: ja, es ist eine. https://is.gd/seM57I

    • @Louis Alz:

      Das heißt jedoch weiterhin, dass Uwe B. in mindestens einem der Fälle involviert war und Geier dies ausgeschlossen hat.