piwik no script img

Erich Rathfelder über die Parlamentswahl in KroatienPest oder Cholera

Noch ist nicht ausgemacht, wer Kroatien in Zukunft regieren wird. Auch wenn der bisherige Ministerpräsident Andrej Plenković von der konservativen HDZ-Partei mit rund 60 von 151 Sitzen im Parlament seine Position behält, so rechnet sich sein sozialdemokratischer Herausforderer Zoran Milanović mit seinen 42 Sitzen diesmal doch noch Chancen aus. Durch Koalitionen mit kleineren Parteien könnte er eine Mehrheit für einen Regierungswechsel zustande bringen.

Das ist nicht völlig unmöglich. Die Sozialdemokratische Partei (SDP) will die nationalistisch-rechte Heimatbewegung (DP), die ultrakonservative Most und die links-grüne Partei Možemo („Wir können“) auf die eigene Seite ziehen. Zusammen mit einem Konglomerat aus Minderheiten und Kleinparteien ist ein Sturz der Regierung noch möglich. Zoran Milanović hat in den vergangenen Monaten versucht, sich durch seine Sympathien für Putin und Orbán im rechtsnationalistischen Lager einzuschmeicheln. Er überholte Plenković sogar mit seiner Bosnienpolitik rechts und tritt knallhart ganz im Sinne der extremen Rechten für die weitere territoriale Aufspaltung des Nachbarlandes ein.

So kann sich Plenković als Chef einer die Ukraine unterstützenden Regierung als prowestlich profilieren, obwohl seine Partei als korruptes System gilt und sein Regierungsstil immer autokratischer wird. Spötter aus dem Nachbarland Slowenien sprechen sogar von einer Balkanisierung Kroatiens. Seit Jahrzehnten gehört es zum Selbstverständnis der Zagreber „Bürger“, Kroatien als Teil Mitteleuropas zu definieren – und nicht als Teil des Balkans. Den hatte man ja 2013 mit dem Eintritt in die EU „endgültig“ hinter sich gelassen.

Betrachtet man angesichts dieser schönen Vorstellung der gebildeten Mittelschicht die wahrhafte Szenerie, dann haben sich Plenković und Milanović keineswegs als kultivierte Kontrahenten erwiesen. Die Bürger Zagrebs können sich aber immerhin damit trösten, dass die Možemo in ihrer Stadt vorne liegt.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen