Eric Bonse über den EU-Entwurf zu Sammelklagen: Zu schwach, zu spät
Zweieinhalb Jahre ist es schon her, dass der Abgasskandal bei Volkswagen ans Tageslicht kam. Aufgedeckt wurde das „Dieselgate“ nicht von der EU-Kommission, sondern von US-Behörden. Mithilfe von Sammelklagen wurde dem weltgrößten Autohersteller in den USA der Prozess gemacht, die betrogenen Verbraucher wurden entschädigt.
Nun soll das auch in Europa möglich werden, endlich. Doch der „New Deal für Verbraucher“, den die Brüsseler Behörde nach langem Zögern vorgeschlagen hat, kommt viel zu spät. Er sieht auch Sammelklagen vor, die entfernt an das amerikanische Muster erinnern – doch mit der Einschränkung, dass nur Verbraucherverbände klagen dürfen.
Die neue Waffe dürfte kaum noch Wirkung haben. Denn für Klagen gegen VW läuft die Zeit ab – die Verjährungsfrist endet im Dezember dieses Jahres. Bis der Vorschlag der EU-Kommission Gesetz wird, dürfte es aber länger dauern. Man darf schon froh sein, wenn es noch vor der Europawahl 2019 klappt.
Außerdem läuft die deutsche Autolobby bereits jetzt Sturm gegen die Vorschläge aus Brüssel. Bei dem neuen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier findet sie sicher ein offenes Ohr. Altmaier wird alles tun, um das Recht auf Sammelklagen zu verzögern und zu verwässern. Wenn es eines Tages in Kraft tritt, wird das VW nichts mehr anhaben können.
Aber das war wahrscheinlich auch gar nicht beabsichtigt, ganz im Gegenteil. Die EU-Kommission hat bis zuletzt Rücksicht auf Deutschland und seine Industrie genommen. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger und der neue Generalsekretär Martin Selmayr wachen darüber, dass nichts „anbrennt“.
Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, den Entwurf aus Brüssel als Wahlkampfmanöver abzutun. Verbraucherkommissarin Věra Jourová hat sich redlich bemüht, den von VW und anderen Konzernen geschädigten Verbrauchern zu helfen. Doch sie war zu schwach, um sich durchzusetzen. Nun braucht sie die Rückendeckung all derer, die einen „New Deal“ wollen – bevor der nächste Skandal kommt.
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