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Ergebnisse des KoalitionsausschussesFür jeden etwas dabei

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die Regierung setzt auf Kompromiss und noch nicht auf Wahlkampf. Sie demonstriert Handlungsfähigkeit, die Milliarden Euro kostet.

Für Kinder gibt es wieder zusätzliches Geld Foto: dpa / Christian Kahnert

N ur gut vier Stunden hat der Koalitionsausschuss am Abend gedauert, und die Selbsteinschätzungen danach könnten viel freundlicher nicht sein. „Harmonisch“ sei das Gespräch verlaufen, so die TeilnehmerInnen von allen Seiten, „konstruktiv“ und in „guter Atmosphäre“. Auch hat die große Koalition ein neues Paket zur Bekämpfung der Pandemiefolgen beschlossen.

Das Signal, das die Koalition damit sendet, war notwendig und richtig: Die Regierung setzt noch auf Kompromiss und nicht auf Wahlkampf, wie zuletzt einige Attacken der SPD auf den Koalitionspartner vermuten ließen. Zwar wäre deutliche Abgrenzung zwischen Union und SPD zu Beginn eines Superwahljahrs in normalen Zeiten nachvollziehbar, aber normal sind die Zeiten eben nicht.

Mitten in einer Pandemie, in der das Leben der Bevölkerung stark eingeschränkt ist, braucht es keine Regierung, die gegeneinander Wahlkampf macht, sondern eine, die Lösungen für die dramatischen Probleme sucht. Streit und Blockade hätten das Gegenteil signalisiert – und das derzeit so notwendige Vertrauen in die Regierung geschwächt.

Handlungsfähigkeit demonstriert die Koalition noch einmal mit Milliarden Euro – von denen sie auf allen Seiten etwas verteilt: Die Union hat den erweiterten Verlustrücktrag für Unternehmen – also die Verrechnung von coronabedingten Verlusten mit früheren Gewinnen – und eine Verlängerung des verringerten Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie durchgesetzt, die SPD Coronaboni für Kinder und EmpfängerInnen von Grundsicherung.

Dass die SPD damit stark hinter den Forderungen der Sozialverbände zurück bleibt, die sich zu Recht für eine coronoabedingte, begrenzte Aufstockung des Regelsatzes ausgesprochen hatten – das wird nur im kleinen Kreis für Proteste sorgen. Unterstützung für Familien, Geringverdiener, Unternehmen, Gastronomie und Kultur, da ist schließlich für fast jeden etwas dabei.

Vielsagend aber ist auch, welches Thema die Koalition wieder einmal verschoben hat: Eine Einigung zum umstrittenen Lieferkettengesetz gab es nicht. Ob die Regierung auch jenseits akuter Pandemiebekämpfung noch zum Handeln bereit und in der Lage ist, wird sich genau an Fragen wie diesen zeigen. Dann allerdings könnte es schnell mit der oberflächlich harmonischen Atmosphäre vorbei sein.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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3 Kommentare

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  • Wer hätte je gedacht, dass taz-Journalisten eine Regierung dafür loben, dass sie viel Symbolpolitik mit geringer Effizienz betreibt? Was ist falsch daran um die richtige Politik zu streiten und die unterschiedlichen Ziele klar zu vertreten? Sorry, aber ihr Artikel mit seinem seltsamen Lob für einen Burgfrieden erscheint mir reichlich obskur. Und die sozialen Almosen für Menschen in Grundsicherung finden sicher nicht nur die Sozialverbände mehr als Hohn denn als Hilfe. Ihre Corona-Belastungen sind weitaus höher als einmalig 2 x € 150 mehr.



    Ganz zu schweigen von den hohlen Ritualen der Verkündung neuer finanzieller Hilfsprogramme, die sehr viele Solo-Selbständige und Kulturschaffenden nicht erreichen und kaum abgerufen werden. Einfach nur Corona-Politik as usual, ohne kritische Überprüfung und Neujustierungen ...

    • @jolesch:

      Ihren Ausführungen ist nur zuzustimmen.

  • Finden Sie nicht, dass die für die einzelnen Menschen recht bescheidenen Mittel eher Almosen als Hilfen sind? Das ist wie mit den Portugal-Hilfen, die als große Hilfe aufgebauscht werden. Wird jetzt nur noch Symbolpolitik betrieben und dies medial nicht mehr kritisch kommentiert?