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Erfundener VergewaltigungsvorwurfLehrerin muss Schmerzensgeld zahlen

Fünf Jahre saß Horst Arnold unschuldig im Gefängnis. Die Kollegin, die ihm Vergewaltigung vorwarf, muss jetzt 80.000 Euro zahlen.

Inzwischen verstorben: Horst Arnold 2011 im Kasseler Landgericht. Bild: dpa

OSNABRÜCK dpa | Eine Lehrerin, die mit erfundenen Vergewaltigungsvorwürfen einen Kollegen unschuldig ins Gefängnis gebracht hat, soll 80 000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das Landgericht Osnabrück entsprach am Freitag einem Antrag der Tochter des im vergangenen Jahr gestorbenen Horst Arnold. Weder die heute 49 Jahre alte Beklagte noch ihr Anwalt erschienen vor der Zivilkammer des Landgerichts. Daraufhin erließ der Richter ein Versäumnisurteil.

Gegen die Entscheidung kann die Verurteilte Einspruch einlegen, erläuterte Gerichtssprecher Holger Janssen. Das Schmerzensgeld ist aber bereits vorläufig vollstreckbar. Das heißt, die Tochter könnte jetzt schon mittels eines Gerichtsvollziehers das Geld einfordern.

Arnold saß fünf Jahre lang in Haft. Das Landgericht Kassel stellte 2011 in einem Wiederaufnahmeverfahren seine Unschuld fest. Aufgrund der Falschaussage hatte das Landgericht Darmstadt die Lehrerin wegen Freiheitsberaubung vor einem Monat zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig - die inzwischen in der Nähe von Osnabrück wohnende Verurteilte hat Revision eingelegt.

Seine Mandantin wolle das Schmerzensgeld für das Leid, das ihr Vater wegen der unschuldig in Haft verbrachten Jahre ertragen musste, sagte Anwalt Hartmut Lierow. „Da er gestorben ist, ist das ins Erbe gefallen“, erläuterte er. Die Zivilklage habe er bereits vor Beginn des Strafprozesses gegen die Lehrerin eingereicht. „Da wusste ich noch gar nicht, wie das ausgeht.“ Bis zum Schluss beharrte die Lehrerin auf dem Vorwurfe der Vergewaltigung. Auch in dem Zivilverfahren habe sie bestritten, die Vergewaltigung erfunden zu haben, sagte Gerichtssprecher Janssen.

Einer der größten Justizirrtümer

Der Fall um den unschuldig verurteilten Horst Arnold gilt als einer der größten Justizirrtümer der deutschen Rechtsgeschichte. Aufgrund des Vorwurfs, er habe seine Kollegin im August 2001 im Biologieraum einer Gesamtschule in Reichelsheim im Odenwald vergewaltigt, verurteilte ihn das Landgericht Darmstadt zu der Haftstrafe. Arnold beteuerte all die Jahre seine Unschuld. Aber genau wegen dieser Beharrlichkeit galt er der Justiz als uneinsichtig und kam daher nicht in den Genuss von Vollzugslockerungen. Auch nach seiner Haftentlassung stand er noch unter einer dreijährigen Führungsaufsicht.

Erst als einer Frauenbeauftragten des zuständigen Schulamtes auffiel, dass das vermeintliche Opfer in anderen Fällen reihenweise Lügen auftischte, wurde der Fall wieder aufgerollt. Das Landgericht Kassel stellte die Unschuld Arnolds fest, das Land Hessen zahlte 45 000 Euro Haftentschädigung. Ein Jahr nach seiner Rehabilitation starb Arnold im saarländischen Völklingen an Herzversagen.

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4 Kommentare

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  • G
    Gast

    Wann wird endlich mal dem falschen Opfersyndrom von Borderlinern mehr Beachtung geschenkt und die Bevölkerung entsprechend geschützt, vor KollegInnen bzw. MitpatientInnen! Das Thema sollte zur Pflichtweiterbildung aller PsychotherapeutInnen gehören. Auch ich (Frau) wurde mal von einer Selbstverletzerin beschuldigt, ihr angeblich was antun zu wollen, prompt bekam die auch noch die Unterstützung des Klinikpersonals. Wer so etwas auf Depressive loslässt, handelt grob fahrlässig. Auch ich galt wegen Beharrlichkeit als nicht behandlungswillig.

    Dabei kenne ich beide Seiten (wurde selbst vergewaltigt, ganz real).

  • Was diesen Mann mit 53 ins frühe Grab brachte, kann man sich gut vorstellen. Die Haftentschädigung ist ein schlechter Witz.

  • "wegen Beharrlichkeit als uneinsichtig gelten..." das ist wohl das Perfideste, was sich ein Justiz ausdenken kann, die von sich behauptet, im Namen des Volkes zu sprechen (oder den von ihr Verurteilten zu brechen)!

     

    Das ist wohl auch Gustl Mollath bekannt.

     

    Einer der Punkte, der vordringlich und dringend überprüft werden muss im deutschen Justizsystem.

    • F
      früh-rentner
      @anyhow:

      Als mir vor 10 Jahren eine psychiatrische Amtsärztin mit ihrer Mitarbeiterinn aus Bln - Rkd. in meiner eigenen Wohnung die Wohnungsschlüssel aus meiner Hosentasche ziehen versuchte , weil sie dachte ich wolle sie Einsperren und ich mich in Notwehr wehrte , war noch nicht abzusehen das ich ein Halbes Jahr später von Amtswegen in Früh-Rente geschickt werde , wenn das Schule machen würde hätten wir in " D " bald keine Arbeitslosen mehr . :-))) ,

      ( Verbesserungsvorschlag mit Ironie )

      Den " Irren ist menschlich " so auch der Buchtitel an dem diese Übereifriege Beamtin Chr. T..... als Buchautorin auch noch mitgeschrieben hat . ( Heutzutage bereits pensioniert )

      Herzlichsten Dank für den Dauerurlaub auf Rentenbasis wegen Arbeitsunfähigkeit , wenn man mit 45 Jahren was neues anfangen will ...

      Damals diagnostizierten mehrere andere Gutacher das ich ja noch glauben würde in der heutigen Zeit eine Arbeit zu finden und ich mir schaden würde sollte ich mich selbstständig machen .

       

       

      Die Rente ist sicher , sagte doch mal Norbert Blüm , der hat das sicher nicht auf diese Art und Weise gemeint .