Erfolge der AfD im Osten: „Ich habe etwas Angst“
Die AfD ist in den neuen Bundesländern stark wie nie. Was sagen Menschen dazu, die von den Rechten regelmäßig angefeindet werden? Vier Protokolle.
„Für uns dürfte es schwieriger werden“
Über die AfD-Ergebnisse habe ich mich nicht erschrocken – nicht nach der Entwicklung in den letzten Jahren. Es gibt in der Region einen rechten Bodensatz, der traditionell stark ist. Früher bekam hier die NPD viele Stimmen, nun ist es die AfD. Das hat auch damit zu tun, dass die weltoffenen Leute seit 20, 30 Jahren abwandern. Die AfD ist hier mancherorts mit strunzdoofen Nobodys angetreten – gewählt wurden sie trotzdem. Weil einige Leute hier einfach eine völkisch-nationale Politik haben wollen.
Ich bin daher fast eher erleichtert, dass die AfD landesweit nicht den ersten Platz geholt hat. Jetzt hoffen wir mal, dass die CDU dabei bleibt, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Hier um die Ecke, in Görlitz, erleben wir das ja anders, da hat die CDU die AfD gerade erst mit in die Ausschüsse gehievt. Ich vermute, die AfD wird sich jetzt erst mal den Schafspelz überziehen und versuchen, einen auf Fachpolitik zu machen – dabei hat sie da gar nichts zu bieten. Diese Normalisierung dürfen wir denen nicht durchgehen lassen.
Aber für uns dürfte es schwieriger werden. Die AfD wird versuchen, uns Steine in den Weg zu legen. Weil ihr die Inhalte fehlen, reiben sie sich an ihren Gegnern. Und sie haben ihr Feindbild ja klar benannt: die Demokraten. Also auch wir. Zum anderen könnte es den Effekt geben, dass die Behörden in vorauseilendem Gehorsam alternativen Initiativen plötzlich Stress machen, weil ihnen die AfD im Nacken sitzt. Darauf müssen wir uns einstellen. Aber wir rollen jetzt bestimmt nicht unsere Fahne ein.
Was jetzt hilft, ist mehr Solidarität unter den Aktiven: miteinander sprechen, Zusammenhalt ausbauen. Es gibt ja noch die Gegenbewegung, die Angebote von uns und anderen. Damit machen wir natürlich weiter. Wer weiß, vielleicht wäre es ohne unsere jahrelange Arbeit noch viel schlimmer gekommen bei der Wahl?!
Sven Kaseler ist Vorstand des Vereins „Augen auf“, der in Zittau und Löbau mit Jugendarbeit und Erwachsenenbildung Demokratieprojekte anstößt. In der Region holte die Partei ihre sächsischen Rekordergebnisse: 48,4 Prozent in Neißeaue und 46,0 in Dürrhennersdorf.
Empfohlener externer Inhalt
„Fast jeder hat seine Erfahrungen gemacht“
Natürlich freue ich mich über dieses Wahlergebnis nicht. Die AfD ist immer nur gegen alles, aber sie bietet keine wirklichen Lösungen an. Ich war am Sonntag wählen und habe da nur ältere Leute gesehen. Ich glaube, die meisten von ihnen haben gar keinen Kontakt zu Flüchtlingen oder Ausländern. Die hören nur: Asylbewerber machen Probleme, wollen nicht arbeiten, sind kriminell. Aber das stimmt doch nicht! Kriminalität gibt es überall, auch Rechte begehen Straftaten. Ich bin seit vielen Jahren in Deutschland und kenne viele Asylbewerber. Natürlich wollen die arbeiten und etwas lernen, aber ihre Ausbildungen werden nicht sofort anerkannt, sie müssen erst mal die Sprache lernen, es gibt viele Hürden. Aber die Leute, die die AfD wählen, sehen diese Hintergründe nicht.
Die Entwicklung macht mir schon etwas Angst. Einige Bekannte sind noch im Asylverfahren – ich hoffe, sie bekommen noch einen Aufenthaltsstatus. Oder mein Job als Dolmetscher: Ich arbeite ja auch im Amt, befristet. Wird das verlängert? Ich brauche aber meine Arbeit: Meine Frau und ich, wir haben hier ein Haus gekauft, das müssen wir bezahlen.
Bisher hatte ich hier nur kleine Probleme. Wir sind zufrieden, ich habe einen Job. Von den Ausländern, die ich kenne, hat aber fast jeder seine Erfahrungen gemacht. Aber ich bin immer beschäftigt, fahre mit dem Auto, da höre ich manche Kommentare vielleicht nicht. Wenn die Lage so bleibt wie heute, dann bleiben wir hier. Aber wir haben damals Syrien verlassen, weil wir uns nicht sicher fühlten. Und wenn wir uns hier nicht sicher fühlen, dann müssten wir auch hier woandershin gehen. Noch ist das aber nicht vergleichbar, noch ist es nicht zu spät, hier etwas zum Guten zu verändern.
Adil Omar (Name geändert), gebürtiger Syrer, arbeitet als Dolmetscher in Meißen. In der Stadt errang die AfD am Sonntag 32,2 Prozent. In drei von vier Wahlkreisen in und um Meißen gewann die AfD die Direktmandate.
„Die Leute wissen, was sie da gewählt haben“
Gewünscht hätte ich mir ein niedriges AfD-Ergebnis, klar. Aber wer die Ohren aufmachte, im Bekanntenkreis oder bei Veranstaltungen, der merkte: Es gibt eine Stimmung, die der AfD in die Hände spielt. Da kommt hier in Spremberg vieles zusammen.
Migration war hier ein Thema, obwohl der Ausländeranteil in Spremberg mit vier Prozent lächerlich klein ist und viele noch nie ein Wort mit einem Migranten gewechselt haben. Dazu der Frust. Viele sehen, wie hier seit den Neunzigern die Jugendlichen wegziehen und Familien zerreißen. Es gibt Ängste, was aus dem ländlichen Raum wird, wenn nur noch morgens und abends ein Bus fährt. Vor allem aber: die Kohle. Die AfD hat das voll zu ihrem Thema gemacht, als Einzige gesagt, mit uns gibt es keinen Ausstieg. Der wird natürlich kommen, irgendwann ist die Kohle eben weg. Aber wir müssen aufpassen: Die Region darf nicht schon wieder der Verlierer sein, hier brach ja schon einmal die Industrie weg.
Der Wahlausgang Die AfD wurde bei den jüngsten Landtagswahlen je zweitstärkste Kraft: mit 23,5 in Brandenburg und 27,5 Prozent in Sachsen – Letzteres ein Rekord. Vor allem im märkischen Süden und Osten war sie stark. In Sachsen zieht sich dies von der Landesmitte bis zum Osten.
Die Aufarbeitung Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht kritisierte ihre Partei: Diese habe sich von den Wählern entfremdet und es so „der AfD leicht gemacht“. Die Linke müsse klären, ob sie für die Mittelschicht Politik mache oder für die, „die um ihr bisschen Wohlstand immer härter kämpfen müssen“.
Der Appell Pro Asyl und der Flüchtlingsrat forderten am Dienstag einen Politikwechsel in Sachsen. Die CDU dürfe Asylsuchende nicht weiter zu Sündenböcken machen und extrem rechte Positionen übernehmen – dies stärke die AfD und leiste Rassismus Vorschub. Verbände für Opfer rechter Gewalt forderten eine „neue Kultur der Solidarität“ (siehe: taz zwei 14).
Und trotzdem nehme ich es den AfD-Wählern nicht ab, dass diese Wahl nur ein Denkzettel sein soll. Die Leute sind nicht dumm, sie wissen, was sie da gewählt haben. Das ist ihre Überzeugung. Ich mache mir seit 30 Jahren Sorgen, was die Fremdenfeindlichkeit angeht, es gab immer wieder Übergriffe in der Stadt. Und jetzt könnte sich die Stimmung wieder einen Schritt weit verschärfen, etwa mit bewusst geschürten Fehlinfos.
Viele der Migranten, mit denen ich zu tun habe, nehmen diese Stimmung noch nicht so wahr. Das hat auch etwas mit der Sprachbarriere zu tun. Sie erleben ja vor allem die Menschen, die sie aufgenommen haben oder mit ihnen Feste feiern. Aber sie bemerken natürlich auch diejenigen, die ihnen nicht so wohlgesonnen sind. Nur wird das von vielen noch nicht auf die AfD bezogen. Aber diese Ablehnung, die ist unter den Migranten hier schon Thema. Ich kann nur hoffen, dass diese nicht noch größer wird.
Monika Wagschal ist Mitorganisatorin des „Runden Tischs für Ausländer – gegen Gewalt“ in Spremberg, SPD-Mitglied und war langjährige Integrationsbeauftragte im Landkreis Spree-Neiße (Südbrandenburg). In Spremberg holte die AfD 36,4 Prozent. Fast genauso viel war es im zugehörigen Wahlkreis Spree-Neiße II, dem stärksten für die Partei in ganz Brandenburg.
Empfohlener externer Inhalt
„Wir müssen jetzt den Arsch hochkriegen“
Ich lebe seit meiner Geburt in Hirschfeld, jeder kennt hier jeden. Da bekommt man schon eine sehr genaue Ahnung, wer wo politisch steht. Und Hirschfeld tickt eben schon immer sehr konservativ, sehr rechts. Aber 50 Prozent für die AfD sind natürlich heftig.
Ich würde nicht sagen, dass die Hälfte unseres Dorfes Nazis sind. Nein, das sind freundliche Leute, ich liebe unser Dorf. Aber es gibt hier das Gefühl: Für uns interessiert sich keiner mehr. Der Bus fährt kaum, der Einkaufsladen wurde geschlossen. Und dann kamen 2015 die Flüchtlinge, für die sofort Hilfe und Geld da war. Und wer hat sich um uns gekümmert?
Ich bin ja für die Linke seit einem guten Jahr aktiv, ich habe hier auch plakatiert. Da fragt man sich schon: Was haben wir in den letzten Jahren alles versäumt? Aber die AfD hat eben viel mehr plakatiert und war präsenter. Die waren mit ihren Spitzenleuten – Gauland, Kalbitz, Höcke – vor Ort, und zwar nicht nur im Wahlkampf. Da standen vorm Gasthof die Autos die ganze Straße runter.
Genau das ist das Problem. Warum war keiner von den anderen Parteien da, auch nicht von uns Linken? Von den großen Politikern ist hier bestimmt seit zehn Jahren keiner mehr aufgetaucht. Die Parteien müssen jetzt den Arsch hochkriegen und sich hier mal an einen Tisch setzen, wie man hier Probleme lösen kann, und zwar ganz alltägliche – sonst haben bald alle das Gefühl, die AfD wäre die einzige Lösung. Das müssen wir auch als Linke klären: Für wen wollen wir Politik machen und wie erreichen wir auch die Menschen auf den Dörfern?
Ich habe Angst, dass irgendwann eine Hemmschwelle verschwindet. Bisher begegnen wir uns hier im Dorf mit Respekt, es ist sehr familiär. Die Leute wissen ja, dass ich für die Linke Politik mache. Da drücken ein paar Jugendliche mal einen Spruch, aber ernsthafte Anfeindungen erlebe ich bisher nicht. Meine Sorge ist, dass das kippt, wenn wir nicht anfangen, uns um die Menschen zu kümmern. Dass es dann nicht mehr nur beim Spruch bleibt, sondern auch gefährlich werden könnte. Aber ich vertraue auch in die Menschen, dass wir reden und Probleme lösen können.
Lorraine Hertel, Gymnasiastin aus Hirschfeld, macht dort Politik für die Linke. Die AfD holte dort ihr Brandenburger Rekordergebnis: 50,6 Prozent. Im umliegenden Amt Schradenland bekam die Partei 42,9 Prozent – die Linke 4,7 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?