Erfolg für Guttenberg: CDU für Aussetzung der Wehrpflicht
Kehrtwende der Unionsspitze in Sachen Wehrpflicht: Jahrzehntelang verteidigten CDU und CSU den Pflichtdienst, jetzt machen sie den Weg zur Berufsarmee frei.
Die Union wird die Wehrpflicht ruhen lassen und damit faktisch abschaffen. Das ist das Resultat der Klausurtagung der CDU-Spitze. Damit hat sich CSU-Verteidigungminister Karl-Theodor zu Guttenberg weitgehend durchgesetzt. Offen ist noch, wie stark die Bundeswehr schrumpfen wird und in welchen Bundesländern wie viele Bundeswehr-Standorte geschlossen werden.
CDU-Generalsekretär Herman Gröhe wählte am Montag in der Berliner CDU-Parteizentrale äußerst gewundene Formulierungen, um zu beschreiben, was bei CDU und CSU nun Konsens ist. Es gebe, sagte Gröhe, bei der CDU keine Festlegung auf die Abschaffung der Wehrpflicht, aber der Bundesvorstand habe "eine große Offenheit" für Guttenbergs sicherheitspolitische Pläne gezeigt. Bei der Sitzung gab es keine einzige kritische Wortmeldung in der CDU-Spitze zu Guttenbergs Plan, die Bundeswehr zu einer Berufsarmee mit einem geringen Anteil an Freiwilligen umzubauen. Laut Gröhe will die CDU-Spitze die Wehrpflicht im Grundgesetz erhalten. Das soll ein Zugeständnis an jene in der Union sein, die die Wehrpflicht für einen Markenkern der Union halten.
Obwohl es also keinen Beschluss der CDU-Spitze zum Aussetzen der Wehrpflicht gibt, steht seit Montag der Fahrplan. Guttenberg wird, so Gröhe, nun durch die CDU-Landesverbände reisen, um dort für das Aussetzen der Wehrpflicht zu werben. Man wolle "die Partei mitnehmen". Auf Guttenbergs Reise soll wohl auch verhandelt werden, was noch strittig ist, nämlich wo wie viele Bundeswehr-Standorte verkleinert oder geschlossen werden. Das Aussetzen der Wehrpflicht ist für die Union nicht nur eine ideologische Frage, sondern hat vor allem auch handfeste materielle Aspekte. Guttenberg will die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern und sukzessive von derzeit 252.000 auf bis zu 163.500 Soldaten schrumpfen.
Noch Ende August hatte der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister darauf beharrt, dass nur der Bundesparteitag der CDU im November über eine so grundsätzliche Frage befinden könne. Ernst-Reinhard Beck, der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion und Anhänger der Wehrpflicht, war sich Ende August noch recht sicher, dass eine "Mehrheit in der Fraktion und in der Partei das bewährte Muster der allgemeinen Wehrpflicht aufrechterhalten möchte". Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der Fraktionschef der CDU in Stuttgart, Peter Hauk, wollten kürzlich trotz Sparzwang unbedingt an der Wehrpflicht festhalten.
Dass die Entscheidung gegen die Wehrpflicht nun so rasch fiel, hat vor allem mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) zu tun. Seehofer hatte anfangs prinzipielle Bedenken gegen die Abschaffung der Wehrpflicht und stand, noch mehr als McAllister und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, einer geschrumpften Berufsarmee skeptisch gegenüber. Seehofer ist von dieser Position allerdings in den letzten Wochen Stück für Stück abgerückt. In einem Interview im Spiegel erklärte er nun forsch, was das Aussetzen der Wehrpflicht real bedeutet: "In Friedenszeiten wird die Wehrpflicht niemand mehr einführen."
Die Frage ist, wie teuer Seehofers Sinneswandel wohl war. Die CSU will auf jeden Fall noch mal verhandeln, ob die Bundeswehr nicht größer bleiben kann. Auch Guttenberg hält eine Reduzierung auf 180.000 Berufs- und Zeitsoldaten plus 15.000 Freiwillige für möglich.
Die Verfechter des Aussetzens der Wehrpflicht führen zwei zentrale Argumente ins Feld. Nur ein Bruchteil der Wehrpflichtigen wird derzeit noch eingezogen, von Wehrgerechtigkeit kann keine Rede sein. Zudem ist die Rekrutierung von Wehrpflichtigen für eine Armee mit Auslandeinsätzen teuer und wenig effektiv.
Die FDP hat den Schwenk der Union in der Debatte über die Wehrpflicht begrüßt. SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels sagte gegenüber der taz, die Entscheidung der Union für das Aussetzen der Wehrpflicht sei bei aller Unklarheit in Details ein "Schritt in Richtung einer gemeinsamen Position". Die Details der Reform sollen Ende September bei einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU geklärt werden.
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