Erdrutsch in Nepal: Angst vor der großen Welle
Nach einem Erdrutsch und einem drohenden Dammbruch sind Zehntausende im Himalaya auf der Flucht. Eine Flutwelle könnte hunderte Dörfer überfluten.
KATHMANDU/NEU DELHI dpa | Zehntausende sind im Himalaya in Indien und Nepal nach einem Erdrutsch und einem drohenden Dammbruch auf der Flucht. Die Behörden der benachbarten Länder evakuierten viele Orte entlang des Flusses Sunkoshi. Ein gigantischer Erdrutsch hatte den Fluss blockiert und so einen Stausee gebildet.
Starker Monsunregen löste den Hangabrutsch in der Nacht zum Samstag etwa 90 Kilometer östlich der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu aus. Nach offiziellen Angaben kamen mindestens zehn Menschen ums Leben, als die Schlammmassen das Örtchen Jure unter sich begruben.
Dutzende wurden verletzt. Schätzungen zufolge wurden noch rund 100 Menschen vermisst, sowohl unter den Massen aus Erde und Geröll als auch in den rund 50 Häusern, die der Stausee überflutet hatte.
Die Katastrophenhelfer versuchten mit Hochdruckstrahlern, den bis zu 90 Meter hohen Damm nach und nach zu verkleinern, berichtete der lokale Sender Nepal Television. Am Vortag hatte die Armee drei Sprengungen durchgeführt, um Wasser abzulassen. Der Pegelstand gehe aber bislang kaum zurück, schrieb Kapil Dhital, der oberhalb des kilometerlangen Stausees festsaß, auf Twitter.
Im indischen Bundesstaat Bihar, wo der Fluss Sunkoshi in den Kosi fließt, wurde eine Flutwarnung herausgegeben. Mindestens 44 000 Menschen seien in 117 Notunterkünfte gebracht worden, sagte Anirudh Kumar, Sprecher des dortigen Katastrophenschutzes.
Notstand in den Dörfern
Wenn sich das Wasser in dem aufgestauten See plötzlich in den Fluss ergieße, würde die Welle Hunderte Dörfer in Bihar überfluten - etwa 425 000 Menschen wären davon betroffen.
Wie viele Menschen am Wochenende durch die Katastrophe ums Leben kamen, blieb zunächst unklar, sagte Jhanka Dhakal, Chef von Nepals Notfallzentrum, der Nachrichtenagentur dpa. „Die Anwohner sagen, mindestens 100 Menschen würden vermisst, aber wir haben noch keine konkrete Zahl.“ In drei Tagen wüssten sie mehr. Allerdings behindern neue Regenfälle und weitere kleine Erdrutsche die Hilfsarbeiten.
In den bedrohten Tälern im Himalaya wurde der Notstand ausgerufen. Die Anwohner wurden nach Angaben lokaler Medien in Camps der Lokalregierung oder in höher gelegenen Häusern von Freunden untergebracht. Verletzte, darunter ein Belgier, wurden mit Helikoptern in Krankenhäuser in Kathmandu geflogen. Auch Hubschrauber von privaten Fluggesellschaften wurden alarmiert. Nepal fragte zusätzliche Hilfe bei den Nachbarländern Indien und China an.
Der aufgestaute See versperrte auch den Araniko Highway, die einzige Straße zwischen Nepal und China. Allerdings könne der See nun nicht mehr weiter wachsen, denn das Wasser habe die Dammkrone erreicht und begonnen, überzulaufen, sagte der Reporter Saraj Gurung.
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