Erdoğans „Säuberungen“ in der Türkei: Weitere 2.000 Polizisten entlassen

Auch hunderte Militärs und Staatsbeamte sind ihren Job los. Zudem wurde die Schließung der pro-kurdischen Zeitung „Özgür Gündem“ angeordnet.

Eine Journalistin der Zeitung "Özgür Gündem" gibt ein Interview im Newsroom der Zeitung.

Die sogenannten „Säuberungen“ treffen auch die Geschäftswelt – so die Zeitung „Özgür Gündem“ Foto: reuters

ISTANBUL rtr/dpa | In der Türkei sind weitere 2.000 Polizeibeamte als Reaktion auf den gescheiterten Putsch entlassen worden. Dies geht aus zwei am Mittwoch veröffentlichten Regierungserlassen hervor. Außerdem seien Hunderte Angehörige des Militärs und Mitarbeiter der Behörde für Kommunikationstechnologie ihrer Posten enthoben worden.

Den Betroffenen wird vorgeworfen, Beziehungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen zu unterhalten. Diesem wirft die Regierung vor, hinter dem Putschversuch im Juli zu stecken und stuft die Gülen-Bewegung als Terrororganisation ein. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und Gülen waren bis zum Bruch 2013 Verbündete.

Durch frühere Erlasse wurden bereits Tausende Angehörige der Sicherheitskräfte entlassen. Auch hat die Polizei die Polizei zahlreiche Unternehmen in Istanbul durchsucht und 50 Menschen verhaftet. Erst Anfang August hatte Erdoğan angekündigt, die von ihm „Säuberungen“ genannten Maßnahmen nach dem Putschversuch auch auf die Geschäftswelt auszuweiten.

So soll die Publikation der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem vorübergehend eingestellt werden. Ein Istanbuler Gericht hatte am Dienstag ihre Schließung angeordnet. Wie aus der von Aktivisten verbreiteten Entscheidung hervorgeht, wird dem Blatt Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Die Zeitung soll außerdem wie das Sprachrohr der Untergrundorganisation agiert haben. Aus Regierungskreisen hieß es, die Gerichtsentscheidung sei unabhängig vom geltenden Ausnahmezustand gefallen und könne angefochten werden.

Verfahren wegen Terrorpropaganda

Gegen zahlreiche Journalisten und Unterstützer der Özgür Gündem läuft zudem seit Wochen ein Verfahren wegen Terrorpropaganda. Von den Ermittlungen betroffen ist auch Erol Önderoğlu, der Türkei-Experte der Organisation Reporter ohne Grenzen. Önderoğlu saß zwischenzeitlich in Untersuchungshaft.

Die Reisepässe von zwei Journalisten der Özgür Gündem seien zudem für ungültig erklärt worden, sagte der Anwalt der Zeitung, Özcan Kilic, der Deutschen Presse-Agentur. Möglich ist das durch ein im Rahmen des Ausnahmezustands erlassenes Dekret, in dem verfügt worden war, dass Reisepässe von Verdächtigen für ungültig erklärt werden.

Reporter ohne Grenzen verurteilte das Vorgehen gegen die kurdischen Zeitung. „Die Schließung von Özgür Gündem macht deutlich, dass die aktuelle Repressionswelle gegen Journalisten in der Türkei nicht auf tatsächliche oder vermeintliche Gülen-Unterstützer beschränkt ist“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Auch kurdische Journalisten und ihre Medien werden unverändert von Behörden und Justiz drangsaliert.“

Nach Regierungsangaben sind seit dem gescheiterten Putsch mehr als 81.000 Staatsbedienstete suspendiert oder entlassen worden. Außerdem befinden sich demnach mehr als 17.000 Menschen in Untersuchungshaft. Nach Angaben der von Journalisten gegründeten Plattform für unabhängigen Journalismus (P24) gehören dazu auch 44 Journalisten, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen in U-Haft sind. Der Europäische Journalistenverband (EJS) beziffert die Gesamtzahl der türkischen Journalisten in Haft auf 68.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.