Erdoğans Machtspiele vor dem Nato-Gipfel: Auf Schwedens Schultern
Auf die Politik in Stockholm einzuwirken, ist nicht zuerst Erdoğans Absicht. Dem türkischen Präsidenten geht es um Respekt der Nato-Mitgliedsstaaten.
R ecep Tayyip Erdoğan ist ein kühl kalkulierender, skrupelloser Politiker, der immer auch für Überraschungen gut ist. Wo er einen Vorteil sieht, versucht er, ihn sich zunutze zu machen. Der Wunsch Schwedens, möglichst schnell Nato-Mitglied zu werden, ist für Erdoğan eine strategische Gelegenheit, die Türkei innerhalb der Nato aufzuwerten.
Seine anhaltende Weigerung, dem Beitritt Schwedens zuzustimmen, während er sich gegenüber dem Beitrittswunsch der Ukraine für offen erklärte, mag ihm wenig Sympathien unter den Nato-Mitgliedstaaten einbringen. Machtpolitisch aber müssen sie anerkennen, dass ohne Erdoğan gar nichts geht. Das ist schon einmal ein Wert an sich, denn Erdoğan kann davon ausgehen, dass seine Interessen im Nato-Umfeld fortan von vornherein auf größere Berücksichtigung stoßen.
Man kann davon ausgehen, dass die von der türkischen Regierung vorgebrachten Gründe gegen einen schwedischen Nato-Beitritt nur eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Angesichts der Rechtsentwicklungen in Schweden ist das Land schon längst kein sicherer Hafen mehr für verfolgte Kurden und kritische Journalisten, die vor der Repression in der Türkei fliehen müssen. Das weiß auch Erdoğan.
Sein eigentliches Ziel in diesem Politpoker ist deshalb auch weniger eine Änderung der schwedischen Politik als vielmehr die Anerkennung der USA, dass die Türkei ein unverzichtbarer, wichtiger Player innerhalb der Nato ist. Die Führungsmacht der Nato hat Erdoğan bislang rechts liegen gelassen. US-Präsident Joe Biden weigert sich, Erdoğan im Weißen Haus zu empfangen. Der Kongress blockiert Waffenlieferungen an die Türkei und hofiert – so stellt es sich in Ankara dar – stattdessen Griechenland.
Damit sich das ändert, steht Erdoğan bei Schwedens Beitritt auf der Bremse. Erdoğan trifft zwar am heutigen Montag den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson, doch er wartet nicht auf Zusagen aus Stockholm, sondern auf ein Signal aus Washington. Vor allem nach seinem neuerlichen Wahlsieg Ende Mai ist er überzeugt davon, dass Biden nun nicht mehr an ihm vorbeikommt.
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