Erdoğan und „Extra 3“-Satire: Regierung kommentiert Witz
Nach langem Schweigen äußert sich die Regierung erstmals zum Eklat um die Erdoğan-Satire. Die Opposition wünscht sich klarere Worte.
In der Lachnummer um die Erdoğan-Satiredes NDR hat sich die Bundesregierung nun doch noch zu Wort gemeldet. „Satiresendungen gehören zur deutschen Medienlandschaft und sind von der Pressefreiheit umfasst“, sagte eine Regierungssprecherin am Mittwoch. „Diese Auffassung der Bundesregierung wurde der türkischen Regierung auf diplomatischen Wegen mitgeteilt.“
Eine Sprecherin des Außenministeriums berichtete von einem Gespräch des deutschen Botschafters Michael Erdmann mit türkischen Regierungsvertreterin. Erdmann habe seinen Gesprächspartnern klargemacht, dass „Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit hohe Güter sind, die gemeinsam geschützt werden müssen“. Diese Themen seien für die Bundesregierung nicht verhandelbar, auch nicht als Gegengeschäft für Zugeständnisse in der Flüchtlingsfrage.
Bereits am Dienstag vergangener Woche hatte Botschafter Erdmann im türkischen Außenministerium vorsprechen müssen. Anlass für die offizielle Einberufung war ein Satirebeitrag des NDR-Magazins „extra 3“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.Nachdem der Vorgang am Ostermontag öffentlich wurde, wollte ihn das Auswärtige Amt zunächst nicht kommentieren. Erst am Dienstagabend (in einer knappen Twitter-Mitteilung) und am Mittwoch (während einer regulären Regierungspressekonferenz) äußerte sich das Ministerium.
Empfohlener externer Inhalt
Extra3-Beitrag
Vertreter der Regierungsfraktionen im Bundestag verteidigten die Kommunikationsstrategie des Ministeriums. „Der Twitter-Feed des Auswärtigen Amtes hat ja klargestellt, dass es eine eindeutige Haltung der Bundesregierung gibt“, sagte der SPD-Außenpolitiker Niels Annen im Deutschlandfunk. Außerdem hätten Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien klargemacht, dass „die deutsche Öffentlichkeit sich ein solches Verhalten nicht gefallen lässt“.
Oppositionspolitiker kritisierten die Bundesregierung dagegen. „Natürlich verstehe ich, dass die Bundesregierung auf das Vorgehen der türkischen Seite im Rahmen von diplomatischen Gepflogenheiten reagieren muss“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) der taz. Diplomatie bedeute aber nicht, auf eine klare Positionierung verzichten zu müssen.
„140 Zeichen machen noch keine menschenrechtsbasierte Politik“, sagte Roth mit Blick auf die Twitter-Mitteilung des Außenministeriums. Die Bundesregierung traue sich nicht, Missstände in der Türkei zu kritisieren. „Dass Erdoğandas als Chance sieht, die Kritik an seiner Politik auch im Ausland einzuschränken, ist dann die Folge.“
Erdoğan versteht keinen Spaß
Aus der Reihe fällt nur eine Äußerung aus der sächsischen CDU. Die Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla verteidigte das Vorgehen der türkischen Regierung. „Mit Satire über ausländische Politiker ist es wie mit dem Bikini im Ausland. Häufig Beleidigung der kulturellen Gepflogenheiten“, twitterte sie. Kritik an der Einberufung des deutschen Botschafters bezeichnete Kudla als „Verunglimpfung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja