Erdbebenkatastrophe in Myanmar: Taktisches Manöver der Militärjunta
Es ist erfreulich, dass das Regime in Myanmar um internationale Hilfe bittet. Aber es sollte jetzt nicht durch Kooperation aufgewertet werden.
N aturkatastrophen bieten dem Militär des betroffenen Landes wie hilfswilligen Nationen die Chance, sich als solidarische Retter in Szene zu setzen. Das wird dadurch erleichtert, dass keine andere staatliche Institution über so viel schnell mobilisierbares Personal und schweres Gerät inklusive Hubschraubern verfügt. Das ist kaum verwunderlich, gehen Militärausgaben doch oft auch zulasten eines zivilen Katastrophenschutzes. Dies gilt umso mehr im Bürgerkriegsland Myanmar, wo die vom breiten Widerstand unter Druck geratene Putschjunta die Prävention schon deshalb vernachlässigt, weil sie die Mittel lieber für den Kampf ums eigene Überleben nutzt.
Katastrophen bieten bei aller Tragik aber auch die Möglichkeit für ein Umdenken und einen Neuanfang. So löste in Indonesien der Tsunami vom Dezember 2004 einen erfolgreichen Friedensprozess zwischen Regierung und separatistischen Rebellen aus. Der gleiche Tsunami hatte aber in Sri Lanka den gegenteiligen Effekt: Der Streit über Zugänge für Helfer und die Kontrolle über die Verteilung der Hilfe verschärfte den Bürgerkrieg mit den tamilischen Rebellen. Und 2008 stellte Myanmars Junta beim Zyklon „Nargis“, der mehr als 100.000 Menschen tötete, sogar alle privaten Hilfsinitiativen unter Strafe und verweigerte sich ausländischer Hilfe. Denn sie hätte diese sonst als Eingeständnis eigener Schwäche gewertet.
Jetzt hingegen hat die Junta schnell um internationale Hilfe gebeten. Was auf den ersten Blick nach erfreulichem Sinneswandel aussieht, ist jedoch auch ein taktisches Manöver: Die Junta kontrolliert nicht einmal mehr die Hälfte des Landes, aber noch alle Flughäfen und Häfen. Die von westlichen Ländern sanktionierten Generäle erhoffen sich jetzt von der internationalen Hilfe eine Aufwertung und eine indirekte diplomatische Anerkennung.
Widerstand wird weiter bombardiert
Dass es der Junta in erster Linie immer noch nicht um die Menschen und die Chance einer Beilegung des Konflikts geht, zeigte sich schon direkt nach dem Beben. Da bombardierte die Luftwaffe wieder Stellungen des Widerstands – was seitdem im vom Erdbeben besonders betroffenen Sagaing sowie im Shan-Staat schon mehrfach geschehen ist.
Die Gegenregierung im Untergrund hat dagegen inzwischen einen Waffenstillstand erklärt, auch wenn sie längst nicht alle Widerstandskämpfer kontrolliert. Eine Feuerpause wäre das Mindeste, was die Junta erklären könnte, wäre es ihr mit der Hilfe ernst. Und hilfswillige Länder und Organisationen haben eine Verantwortung, mit der dringend benötigten Hilfe nicht diese menschenverachtende Junta zu stärken.
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