Erdbeben in Afghanistan: Zur Sicherheit draußen übernachten
Eine Erdbebenserie im Westen Afghanistans fordert über 2.000 Tote und Verletzte. Hunderte Menschen seien in der Provinz Herat unter Trümmern begraben.
Mindestens sechs Dörfer und insgesamt 1.320 Häuser seien komplett zerstört worden. In einem Dorf hätten nur 100 von 300 Familien vollständig überlebt. Die UNO hatte am Samstagabend zunächst von etwa 100 Toten in acht Dörfern berichtet. Von ihr gab es bis Redaktionsschluss keine neuen Zahlen.
Betroffen waren die Provinzen Herat, Badghis und Ghor. Das Epizentrum der Beben lag im Distrikt Sindedschan 40 Kilometer nordwestlich der Provinzhauptstadt Herat und gut 100 Kilometer östlich der Grenze zu Iran. Auch dort waren die Erdstöße zu spüren, Berichte über Opfer oder größere Schäden gibt es aber nicht. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte den 42-jährigen Baschir Ahmad aus dem Dorf Sarboland bei Sindedschan, dass „beim allerersten Erdstoß alle Häuser“ einstürzten. Telefonverbindungen brachen zusammen. Viele Straßen sind blockiert.
Die Lehmbauweise hält die Zahl der Opfer relativ gering
Videos und Fotos, die aus dem betroffenen Gebiet in soziale Medien gelangten, zeigten Dörfer, die nur noch aus Schutt bestehen, und Menschen, die darin nach Überlebenden gruben. Ein Video aus einem nicht identifizierten Ort zeigt, wie Anwohner ein etwa zweijähriges Kind bergen, ein anderes, wie ein alter Mann gerettet wird. Ein drittes Video zeigt einen Mann, der auf den Trümmern seines Hauses 14 getötete Familienmitglieder beklagt, darunter ein fünf Tage altes Baby. Normalerweise heißt es, dass die örtlich vorherrschende Lehmbauweise bei Erdbeben die Zahl der Opfer noch relativ gering hält.
In der Großstadt Herat flüchteten die Menschen aus Wohnungen, Büros und Geschäften ins Freie. Der Samstag ist in Afghanistan erster Arbeitstag der Woche. Wegen befürchteter weiterer Nachbeben übernachteten viele in Straßen und Parks. Die Menschen erinnern sich nur zu gut an das Beben im Südosten des Landes im Juni 2022 mit mindestens 1.000 Toten und 1.500 Verletzten und das noch schwerere in der Türkei und Syrien im vergangenen Februar.
Doch die Stadt selbst, die der Romanautor Salman Rushdie wegen ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung als „Florenz des Ostens“ beschreibt, scheint glimpflich davongekommen zu sein. Die im 15. Jahrhundert errichteten, 55 Meter hohen und bereits durch frühere Beben und Kriege beschädigten Minarette der Mahalla zeigen neue Risse; Mosaikfliesen fielen herab.
Der Rote Halbmond braucht „Ärzte und Ärztinnen“
Die Taliban-Behörden, der Afghanische Rote Halbmond, UN-Hilfswerke und lokale wie internationale Nichtregierungsorganisationen schickten Trinkwasser, Nahrungsmittel, Bekleidung, Notfallpäckchen und Zelte als Notunterkünfte für die Überlebenden sowie Rettungs- und mobile Behandlungsteams. Der Rote Halbmond sprach ausdrücklich von „Ärzten und Ärztinnen“. Der Sprecher des Taliban-Emirats, Sabihullah Mudschahed, sagte in Kabul, auch Militär sei in das Katastrophengebiet beordert worden. Herats Gouverneur Nur Ahmad Islamjar forderte in einer Videobotschaft die Bewohner der Provinz zur Unterstützung der Betroffenen auf, insbesondere die Apotheker, mit Medikamenten zu helfen.
Laut Weltgesundheitsorganisation gab es in der Provinz Herat neben dem zentralen Provinzkrankenhaus 201 Gesundheitseinrichtungen, darunter vier Distrikthospitäler und 24 Gesundheitszentren. Wie viele davon durch das Beben betroffen wurden, ist bisher nicht klar. Laut dem britischen Guardian war das Provinzhospital von Herat mit einer Kapazität von 600 Betten bereits am Samstagnachmittag überlastet. „Dutzende“ Patienten mussten im Freien behandelt werden. Die UNO richtete zehn örtliche Notaufnahmen ein und entsandte drei Traumabehandlungsteams in das Feldkrankenhaus Herat. Zurzeit evaluiert sie den weiteren Bedarf an Hilfe.
In Deutschland bittet unter anderen der Afghanische Frauenverein e. V. mit Sitz in Hamburg um Spenden.
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