piwik no script img

■ III. WahlErbaulicher GamCyg

Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen mitten in der Nacht? Zum Beispiel:

„Space Night“, tägl. ab ca. 2 Uhr, BR

Am Ende seines Abendprogramms zeigt der Bayerische Rundfunk schöne Bilder von der schönen Erde: Chiemsee, Neuschwanstein, Loreley und was unser blauweißer Planet noch so alles an gottverlassenen Provinzidyllen zu bieten hat. Dazu spielt der Sender zunächst ein bayerisches Volkslied und anschließend einen Streichquartett-Evergreen von Haydn. Danach wird es wissenschaftlich bis zum Morgengrauen.

Aber so guckt natürlich kein Mensch „Space Night“. Seit über fünf Jahren schon – immer dann, wenn die Schlaflosen Deutschlands die „Sonja“-, „Vera“-, „Meiser“- und „Karalus“-, „Nicole“-, „Türck“- und “Arabella“-Wiederholung vom Tage oder gar „Monster Trucks“-Spektakel aufs Auge gedrückt bekommen sollen – tun sich dem somnambulen Zapper plötzlich schlicht ergreifendere Welten auf: träge Shuttleblicke nämlich von jenseits des Ozonlochs aufs Ochotskische Meer, die Rocky Mountains, auf „Sanddünen“ und den Golf von Kachchh bzw. den Emissionsnebel GamCyg oder den 900 Lichtjahre entfernten Sternenhaufen MG6 7092/M39.

All das fand sogar der Biolek-Gast Mario Adorf mal ganz erbaulich, weshalb die „Space Night“ ebenso prompt wie augenzwinkernd den dazugehörigen TV-Mitschnippsel zwischen ihre Raumfahrtdauerwerbesendung schiebt. Und tatsächlich, Mario: Unbesiedelter noch als der bayerischste Wald wirkt hier das Global Village. Keine Kirche, keine Satellitenschüsseln oder Massengräber, so weit das Auge reicht. Nur in den Umlaufbahnen dokumentiert eine intelligente Spezies ihre müßiggängerischen Schwerelosigkeitsspielchen, während auf dem Erdtrabanten archivierte Mondmänner zu Stones-Songs straucheln ...

Aber natürlich kann man so ein Nachtprogramm auch ganz anders schauen und sich, wie ein Kollege, süffisant wundern, dass ausgerechnet der BR Nacht für Nacht Kifferfernsehen macht.

Christoph Schultheis

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen