Entwurf zu von der Leyens „Green Deal“: Sprechzettel mit Leerstellen
Mit einem „Green Deal“ will EU-Kommissionspräsidentin von der Leyern der Klimakrise begegnen. Ein allererster Entwurf ist allerdings ausbaufähig.
BRÜSSEL taz | Die neue EU-Kommission will die 28 Mitgliedstaaten per Gesetz verpflichten, die europäische Wirtschaft bis 2050 klimaneutral zu machen. Zudem will sie die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 bis 55 Prozent senken – und nicht nur um 40 Prozent, wie bisher vereinbart. Erste Vorschläge für einen „Green Deal“ sollen bereits am 11. Dezember präsentiert werden – einen Tag vor dem letzten EU-Gipfel dieses Jahres. Dies geht aus einem Arbeitspapier der EU-Behörde hervor, das in Brüssel geleakt wurde und der taz vorliegt. Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuletzt von einem “European Green Deal“ als Strategie gegen die Klimakrise gesprochen.
Die Grünen und Greenpeace kritisierten den Entwurf als völlig unzureichend. Von der Leyen müsse massiv nachlegen, sagte der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen der taz. Die CDU-Politikerin bleibe viel zu oberflächlich, warnt Greenpeace.
Die Kommissionschefin steht unter Druck. Am Donnerstag hatte das Europaparlament den Klimanotstand ausgerufen – und schnelles Handeln gefordert. Zuvor war ein anderes Arbeitspapier der EU-Kommission durchgestochen worden, das die Kosten der Klimawende auf 3 Billionen Euro bis 2030 beziffert. Von der Leyen hat sich davon distanziert – und erklärt, ihr Plan werde nur 1 Billion kosten.
Diese Rechnung sei unseriös, erklärte Grünen-Politiker Andresen, der das EU-Budget für 2020 mitverhandelt hat und für mehr Klimaschutz streitet. Der Europäische Rechnungshof habe geschätzt, es werde 1,1 bis 1,4 Billionen Euro jährlich kosten, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Sollte von der Leyen darauf bestehen, dass bis 2030 nur eine Billion zur Verfügung stehe, sei dies viel zu wenig.
Nachdenken noch nicht abgeschlossen
„Eine Billion in 10 Jahren klingt viel, es sind aber nicht einmal 55 Cent pro EU Bürger*in und Tag“, so Andresen. Um die versprochene Klimawende durchzusetzen, müsse von der Leyen viel mehr Geld in die Hand nehmen und das EU-Budget ab 2021 deutlich erhöhen. Dies bedeute auch, den umstrittenen Entwurf des scheidenden Haushaltskommissars Günther Oettinger (CDU) zu überarbeiten.
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„Von der Leyens Vorschläge sind kläglich“, so Andresen. „Wenn Sie es ernst meint mit den Pariser Klimazielen, muss sie massiv nachlegen.“ Der von ihr versprochene „Green Deal“ müsse auch ein „Carbon Border Adjustment“ – also eine Importsteuer auf klimaschädliche Produkte – und eine soziale Komponente enthalten. Zudem müsse die EU-Kommission über eigene Finanzierungsinstrumente nachdenken.
Von all dem ist in dem Entwurf, der am Freitag geleakt wurde, keine Rede. Das fünfseitige Dokument liest sich eher wie ein unverbindlicher Sprechzettel; bei vielen Stichpunkten fehlen konkrete Details und feste Daten. Einige Passagen sind mit Klammern und Leerstellen versehen; offenbar ist das Nachdenken über den „European Green Deal“ in Brüssel noch nicht abgeschlossen.
Zeitplan scheint zu stehen
Immerhin ist vorgesehen, das zentrale „Klimagesetz“ im kommenden März vorzulegen. Ein Plan für die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 soll dann im Oktober 2020 folgen.
Doch das ist aus Sicht von Klimaaktivist*en viel zu spät. Für eine Umsetzung bis 2030 bleibe nicht genug Zeit, kritisiert Franziska Achterberg, die im Brüsseler Büro von Greenpeace arbeitet. „Die Überschriften sind gut, doch die eigentlichen Maßnahmen entweder zu schwach oder gar nicht vorhanden“, sagt die Umweltexpertin. Ihr Fazit: „Dieser Plan kratzt nur an der Oberfläche.“
Leser*innenkommentare
ZeitDesKannibalen
Ja es wird zu wenig getan um die Klimakatastrophe abzuschwächen.
Aber sry der halbe Artikel beschwert sich, dass ein geleakter, also noch nicht ausgearbeiteter, Entwurf Leerstellen enthält ^^ ach was ;)
Volker Maerz
Mir kommt beim Aussitzen der GroKo-Fraktionen langsam der Verdacht, man wartet lieber noch ein Weilchen, bis auch die europäische Windkraft-Industrie den Bach runter ist, um dann – leider, leider – die Großen mit Nachdruck um ein paar AKW zu bitten, weil etwas anderes wie Dezentralisierungen und Bürgerbeteiligung nicht mehr zur Debatte steht. Schließlich haben Länder und Kommunen massiv in diese Unternehmen investiert und brauchen die Rendite.
64984 (Profil gelöscht)
Gast
"Ein allererster Entwurf ist allerdings ausbaufähig"
Das ist ja wohl Euphemismus pur.
Wenn man im Artikel liest, dass sie statt 1,1-1,4 Billionen pro Jahr nur 1 Billionen in 10-11 Jahren ausgeben will, also weniger als ein Zehntel, dessen was nötig wäre.