Entwurf für Selbstbestimmungsgesetz: Der Fortschritt naht
In Kürze soll die Nachfolge für das Transsexuellengesetz fertig werden. Damit wäre eine Änderung des Geschlechtseintrags leichter als bisher.
Es gibt wohl den festen Willen in der Koalition, das Selbstbestimmungsgesetz schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, der gemeinsame Entwurf ist auf der Zielgeraden. In den nächsten Tagen soll dieser geeinte Referent_innen-Entwurf an die anderen Ressorts geschickt werden. Daraufhin werden auch Verbände den Entwurf erhalten und können ihre Kritik an Justiz- und Familienministerium weitergeben.
Das Selbstbestimmungsgesetz soll das in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz ablösen und für eine möglichst niedrigschwellige Änderung des Geschlechtseintrags sorgen. Eigentlich wollte die Bundesregierung das Selbstbestimmungsgesetz schon Ende vergangenen Jahres umsetzen. Trans, inter und nicht-binäre Menschen waren zuvor psychologischer Begutachtung mit teuren wie demütigenden Aufwand inklusive Gerichtsverfahren konfrontiert, um ihren Namen und Personenstand zu ändern.
Es ist eines der wenigen Projekte, bei dem sich alle Regierungsparteien einig sind: Sowohl SPD als auch Grünen und FDP sahen in ihren Wahlprogrammen mindestens die Reform des Transsexuellengesetzes vor, im Koalitionsvertrag einigte man sich auf dessen Abschaffung und die Einführung des Selbstbestimmungsgesetz. Trotzdem dauerte es bislang.
Neu ist eine Wartezeit von drei Monaten
„Es ist klar, dass dieses Gesetz das Leben für trans Menschen deutlich besser machen soll und wird“, heißt es aus Regierungskreisen. Im Wesentlichen habe man sich hierbei auf die bereits im Sommer vorgestellten Eckpunkte des Selbstbestimmungsgesetz geeinigt: Die zwei bislang notwendigen psychiatrischen Gutachten sowie das Gerichtsverfahren für trans, inter und nicht-binäre Menschen fallen weg.
Mit dem neuen Gesetz sollen Eltern von Kindern, die jünger sind als 14 Jahre, eine Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. 14- bis 18-Jährige sollen dies selbst machen – mit der Zustimmung der Eltern. Stimmen die Eltern nicht zu, kann das Familiengericht zustimmen.
In der Vergangenheit kritisierten Verbände vor allem diesen Punkt, da 14- bis 18-Jährige, die noch bei den Eltern wohnen, wohl kaum vor Gericht ziehen werden. Ab 18 Jahren können trans, inter und nicht-binäre Menschen Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine Eigenversicherung beim Standesamt ändern.
Zudem wird ein Offenbarungsverbot gelten: Wer den Deadname, also den ehemaligen Namen einer Person, ohne deren Einverständnis preisgibt, droht ein Bußgeld.
Was neu hinzukommt, ist eine Wartezeit von drei Monaten, bis die Änderung wirksam ist. Das war so nicht in den Eckpunkten vorgesehen. Aus Regierungskreisen verweist man auf andere Länder mit Selbstbestimmungsgesetz wie Belgien und Luxemburg, die ebenfalls einen sogenannten Übereilungsschutz haben. Innerhalb dieser drei Monate kann eine Person auch ihre Erklärung zurückziehen. Noch unklar ist, ob sie innerhalb der darauffolgenden drei Monate erneut mit Eigenversicherung beim Standesamt vorstellig werden kann.
Hausrecht als Diskriminierungsoption
Außerdem neu hinzugekommen ist ein Punkt, der schon im Januar für Diskussionen sorgte, als Justizminister Marco Buschmann (FDP) im Interview mit der Zeit sagte: „Die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will hier dem Schutz der Intimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an. Die Betreiber dürfen dann beispielsweise nicht dem Risiko einer Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt sein. In einer Sauna kann der Betreiber oder die Betreiberin bestimmen, ob und welche Transpersonen eingelassen werden.“
Empfohlener externer Inhalt
So soll es nun auch in den Gesetzesentwurf einfließen: Im Streitfall soll das Hausrecht gelten. Vor allem dieser Punkt sorgt für Kritik. Felicia Ewert, Autorin von „Trans.Frau.Sein“ schrieb dazu auf Twitter: „LOL, das nennt man eine rechtlich verankerte Diskriminierungsoption. Und es ist ein Rückschritt vom aktuellen Stand.“
Unterdessen heißt es vom Queerbeauftragten Sven Lehmann (Grüne) auf Twitter: „Hausrecht und AGG bleiben unverändert.“ Mit der neuen Regelung im Selbstbestimmungsgesetz werde die Rechtslage nicht verändert, eine Zutritt-Verweigerung dürfe nicht allein auf das Geschlecht abstellen.
Neben Kritik zum Hausrecht sorgt vor allem der Übereilungsschutz von drei Monaten für Kritik. Grundsätzlich aber zeigt sich große Freude, dass es nun nach all dem Hin und Her in der Bundesregierung vorangeht mit dem Selbstbestimmungsgesetz. So schreibt der Deutsche Frauenrat auf Twitter: „Das sind gute Nachrichten zum Wochenende.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung