Entwicklungsländer in Coronakrise: Schuldenerlass oder Chaos
Weltbank und IWF befürworten nun plötzlich einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer. Doch mit Mildtätigkeit hat dies wenig zu tun.
W eltbankchef David Malpass hat am Montag eine erstaunliche Rede gehalten. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF), die beiden unter Globalisierungskritikern verhassten Institutionen, fordern gerade einen umfassenden Schuldenerlass für Entwicklungs- und Schwellenländer, weil sie in der Coronakrise in existenzielle Nöte geraten sind. Die Partnerorganisationen wollen die Notenbankchefs und Staatsoberhäupter der Welt zum Handeln bewegen: Nächste Woche treffen sie sich virtuell zu ihrer Herbsttagung.
Malpass ist ehemaliger Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump, hat deshalb überhaupt erst den Job als Weltbankchef bekommen. Umso erstaunlicher, dass er jetzt Reden hält, die auch Brot für die Welt hätte schreiben können. Doch um Mildtätigkeit handelt es sich bei dem Schuldenerlass nicht. Die Alternative wären reihenweise zahlungsunfähige Entwicklungsländer.
Zwar haben die Industrieländer laut IWF deutlich mehr Schulden in der Coronakrise aufgenommen als der Globale Süden, selbst in Relation zur Wirtschaftsleistung. Aber die USA, Europa oder Japan haben Zentralbanken, die das alles finanzieren. Sie saugen Schuldentitel ihrer Staaten vom Markt, sobald Gläubiger zu viele Risiken wittern, sprich: die Industriestaaten höhere oder überhaupt mal Zinsen zahlen müssen. Zentralbanken von Entwicklungsländern können nicht einfach zum gleichen Mittel greifen – sonst stürzt die jeweilige Währung ins Bodenlose. Die ärmeren Länder können dann ihre oft in Dollar oder Euro notierten Auslandsschulden nicht mehr refinanzieren und sind zahlungsunfähig. Malpass warnt: In dem Fall könne Chaos in den Ländern ausbrechen.
Ein Schuldenerlass ist heute komplizierter als Anfang des Jahrtausends. Die Subsahara-Staaten Afrikas etwa haben dreimal so hohe Schulden gegenüber China wie gegenüber Europa, den USA und Japan zusammen. Ein gefundenes Fressen für Malpass, der China vorwarf, zu wenig Milde walten zu lassen. Und unterschlug, dass die USA die Idee blockieren, den ärmeren Ländern umfassend finanziell zu helfen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?